Basiswissen zu MCAS
Orientierung für Neueinsteiger und Interessierte
Informationen über das Mastzellaktivierungsyndrom
Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine Erkrankung, bei der Mastzellen überaktiviert sind. Um zu verstehen, was das bedeutet, lohnt sich zunächst ein Blick darauf, welche Rolle Mastzellen im Körper spielen und wie eine normale Mastzellaktivierung abläuft.
Jeder Mensch hat Mastzellen – sie sind ein essenzieller Teil des Immunsystems. Ihre Hauptaufgabe ist es, den Körper zu schützen. Als hochsensible Immunzellen spielen sie eine Schlüsselrolle bei der Abwehr von Krankheitserregern, der Regulation von Entzündungen und auch bei allergischen Reaktionen. Mastzellen werden nicht nur durch äußere Reize wie Infektionen oder Schadstoffe aktiviert, sondern reagieren auch auf Schieflagen im Körper selbst.
Mastzellaktivierung an sich ist erst einmal ein ganz normaler Prozess und kann bei jedem Menschen stattfinden, z.B. bei Infektionen oder Kontakt mit einem Schadstoff. In der Regel beruhigt sich diese Aktivierung von selbst wieder, sobald die auslösende Ursache beseitigt ist.
Bei Menschen mit dem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) jedoch bleiben die Mastzellen dauerhaft in Alarmbereitschaft und reagieren überempfindlich auf unterschiedlichste Reize. Dadurch kann es zu einer Vielzahl an Beschwerden kommen, die individuell sehr unterschiedlich ausfallen und von milde bis sehr stark variieren können.
MCAS kommt häufiger vor, als lange angenommen, wird aber oft nicht erkannt. Warum geraten die Mastzellen aus dem Gleichgewicht? Und was bedeutet das für Betroffene? Um MCAS besser zu verstehen, lohnt sich ein genauer Blick auf die Funktion der Mastzellen, ihre Aktivierungsmechanismen und die Folgen einer Fehlregulation.

Grundlegendes Wissen zu MCAS
Dieser Artikel dreht sich darum, was Mastzellen sind, was sie tun, und wie das bei einer Überaktivierung, wie z.B. bei MCAS, zu Problemen führen kann. Du lernst die typischen Symptome und den Verlauf von MCAS kennen und erfährst, wie es diagnostiziert werden kann und welche Tests dafür nötig sind.
Die Informationen orientieren sich an dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der wissenschaftlichen und fachbezogenen Literatur. Im Artikel verweisen Zahlen in Klammern, z.B. (1), auf die entsprechende Quelle. Die vollständige Quellenangabe findest du nummeriert am Ende des Textes unter Punkt „Literatur und Quellen“. Artikel, die im Volltext frei verfügbar sind, sind dort direkt verlinkt.
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Informationen zum Basiswissen über MCAS
Was sind Mastzellen?
Was Mastzellen sind
Jeder Mensch hat Mastzellen. Mastzellen gibt es seit über 500 Millionen Jahren, und früher waren sie im Grunde das Immunsystem der ersten Urtierchen. Heute haben wir Menschen ein deutlich komplexeres und ausgeklügelteres Immunsystem – aber die Mastzellen sind immer noch da. Daran können wir bereits erkennen, dass die Mastzellen sehr wichtige Funktionen besitzen. Und in ihrer langen Evolution haben sie allerhand Tricks gelernt!
Mastzellen sind für die Gesundheit und den Körper sehr wichtig, da sie die erste Linie der Verteidigung gegen Bakterien, Viren, Pilze, und andere Erreger bilden, die krank machen könnten. Ohne Mastzellen würden wir quasi schon umfallen, wenn wir ein Bakterium nur von Weitem sehen.
Die Mastzellen an sich sind also ganz und gar nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil. Sie haben die Aufgabe, deinen Körper zu schützen – auch bei MCAS. Das Problem bei MCAS ist allerdings, dass sie dysfunktional, fehlreguliert oder überaktiviert sind.
Im Falle dysfunktionaler bzw. fehlregulierter Mastzellen sind sie also „verwirrt“ und erfüllen ihre Aufgabe nicht richtig oder nehmen sie etwas zu ernst. Sie reagieren dann z.B. auch in nicht angemessener Form auf tatsächlich harmlose Reize.
Es kommt aber ebenfalls oft vor, dass die Mastzellen zwar überaktiviert sind, aber nicht in dem Sinne dysfunktional oder fehlreguliert – sondern dass ein handfester Grund vorliegt, warum die Mastzellen aktiviert sind und reagieren, und dass ihre Reaktion im Zusammenhang mit diesem Grund nicht dysfunktional, sondern in der Tat sehr sinnvoll ist. Auch hier reagieren sie auf eine Weise, die unangemessen erscheint, es aber eigentlich nicht ist – mit der Beseitigung der Ursache(n) würde auch die erhöhte Reaktionsbereitschaft des Körpers wieder abnehmen. Hier ist oft Detektivarbeit nötig, um diese Gründe zu entdecken.
Was Mastzellen tun
Mastzellen kommen prinzipiell überall im Körper vor. Da ihre vorrangige Aufgabe ist, uns gegen Erreger zu schützen, befinden sie sich aber besonders an den Schnittstellen des Körpers mit der Umwelt – das sind primär die Atemwege, die Haut, der Magen-Darm-Trakt und die Schleimhäute. Aber auch in den Blutgefäßen und den Genitalien sind die Mastzellen verstärkt vertreten.
Mastzellen sind großartige Kommunikatoren im Körper. Sie produzieren oder speichern viele Stoffe, sogenannte Botenstoffe, mit denen sie mit anderen Zellen und Geweben im Körper „sprechen“ können, und sie veranlassen können, Dinge zu tun oder zu lassen. Diese Botenstoffe, mit denen die Mastzellen kommunizieren, heißen „Mastzellmediatoren“, oder kurz „Mediatoren“. Mastzellen haben über 1000 verschiedene Mediatoren, mit denen sie ihr Werk verrichten können. Das funktioniert auch alles üblicherweise sehr gut – falls die Mastzellen nicht fehlreguliert/überaktiviert sind.
Mastzellen produzieren oder speichern viele Stoffe, mit denen sie mit anderen Zellen und Geweben im Körper „sprechen“ können
Diese Überaktivierung stellt das Kernproblem von MCAS dar, und daher stammt auch der Name „Mastzellaktivierungssyndrom“. Dabei stoßen die Mastzellen ihre Mediatoren in unangemessener Form aus – die falsche Menge, die falsche Dauer, die falsche Intensität, die falsche Richtung, der falsche Zeitpunkt… Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten.
Was ist Mastzellaktivierung?
Was passiert, wenn Mastzellen überaktiviert sind
Überaktivierte oder fehlregulierte Mastzellen reagieren auf zu viele Reize. Während gesunde Mastzellen die richtige Menge und Art von Mediatoren in die richtige Richtung, zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dauer entsenden, sind überaktivierte Mastzellen zu aktiv. Sie reagieren auch auf Stoffe, die eigentlich keine Bedrohungen für den Körper sind, z.B. Pollen oder bestimmte Nahrungsmittel. Die Mastzellen erkennen fälschlicherweise diese als Bedrohung an und reagieren dann wie auf einen Krankheitserreger – mit der Produktion einer Entzündung. Daher kommt es auch, dass die Symptome, die überaktivierte Mastzellen hervorrufen, im Allgemeinen allergischer oder entzündlicher Natur sind.
Überaktivierte Mastzellen reagieren auch auf Stoffe, die keine echten Bedrohungen für den Körper sind
In der Absicht, den Körper vor den vermeintlichen Bedrohungen zu schützen, senden die Mastzellen Botenstoffe, wie z.B. Histamin, aus. Dies veranlasst dann andere Zellen zu einer Reaktion, beispielsweise um Anschwellen der Schleimhäute.
Mastzellen verfügen nach aktuellem Kenntnisstand über mehr als 1000 verschiedene Botenstoffe (19). Dabei hat jeder Botenstoff mehrere Funktionen.
Das Reaktionspotenzial von Mastzellen ist also immens, und die Reaktionen des Körpers auf ihre Tätigkeit können sowohl sofort erfolgen, als auch noch Tage später. Das macht es nicht immer einfach, den gespürten Symptomen die korrekten Auslöser für die ursprüngliche Reaktion der Mastzellen zuzuordnen.
Welche Symptome treten bei MCAS auf?
Welche Symptome rufen überaktivierte Mastzellen hervor?
Die Symptome, die überaktivierte Mastzellen produzieren können, sind in der Regel unspezifisch. Das bedeutet, dass die Symptome nicht nur bei MCAS, sondern auch bei einer ganzen Reihe anderer Erkrankungen auftreten können. Es gibt bei MCAS auch kein „wegweisendes Leitsymptom“, welches immer vorhanden ist.
Das macht es schwierig, MCAS anhand von Symptomen zu identifizieren. Aus diesem Grund wird für die Diagnose das klinische Gesamtbild benötigt: Symptome, Verlauf und Laboruntersuchungen. Denn auch wenn kein einzelnes Symptom entscheidend für MCAS ist, gibt es dennoch ein sehr typisches Gesamtbild. Aus diesem ergibt sich in der Regel der erste Verdacht, der dann mit Hilfe von Laboruntersuchungen bestätigt werden kann.
Mögliche Symptome bei MCAS
Mögliche Ausprägungen von Mastzellerkrankungen (1,3) sind im Folgenden aufgelistet. Die meisten davon treten chronisch und in geringer Ausprägung auf, einige aber auch dauerhaft. Viele sind entweder episodisch oder wechselhaft. Es ist für MCAS ganz typisch, dass viele Symptome unspezifisch sind, kommen und gehen, und sich abwechseln. Zwischen den verschiedenen Menschen können die Ausprägungen sehr unterschiedlich sein (z.B. bei dem einen Verstopfung, bei dem anderen Durchfall), aber es können sich auch innerhalb einer Person gegensätzliche Symptome abwechseln (z.B. erst Verstopfung, dann Durchfall).
Die im Folgenden aufgelistete Symptome können im Rahmen von MCAS auftreten. Das heißt nicht, dass alle Symptome tatsächlich in einem Menschen auftreten. Auch die Intensität der Symptome kann sich stark zwischen den Betroffenen oder zwischen verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines Betroffenen unterscheiden.
Gesamtverfassung: Müdigkeit, Unwohlsein, Kraftlosigkeit (Asthenie), „chronisches Müdigkeitssyndrom“ (chronic fatigue), subjektive und/oder objektive Überwärmung (Hyperthermie) und/oder Unterkühlung des Körpers (Hypothermie), „Kältegefühl die meiste Zeit“, Schweißausbrüche/Schwitzen (nicht immer nachtaktiv), Hitzewallungen, Erröten oder Blässe, erhöhter oder verminderter Appetit, frühe Sättigung, Gewichtszunahme oder Abnahme, Juckreiz, Empfindlichkeit gegenüber chemischen und/oder physikalischen Umweltreizen (oft ungewöhnlicher Natur).
Augen: Gereizte Augen, vermehrte oder verminderte Tränensekretion, Bluterguss (Suffusion), Bindehautentzündung, episodische Fokussierungsschwierigkeiten, Lidzittern/Tic (Blepharospasmus), Sonnenempfindlichkeit, infektiöse oder sterile Entzündung.
Blase und Genitalien: Entzündung (oft wandernd) in einem oder mehreren Segmenten der Blase und Harnröhre, z.B. Harnleiterentzündung (Ureteritis, Urethritis), Blasenentzündung (Cystitis), Scheidenentzündung (Vaginitis), Schmerzen im Schambereich (Vestibulitis), und/oder Nierenentzündung (Nephritis), Prostataentzündung (Prostatitis), chronische Nierenerkrankung, Entzündungen der Eierstöcke (Endometriose), chronische Rücken- oder Flankenschmerzen oder Bauchschmerzen, Wassersackniere (Hydronephrose; wahrscheinlich aufgrund einer Schwellung im Harnleiter (Ureterangiödem), Unfruchtbarkeit, Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion), verminderter Sexualtrieb; bei einer geeigneten Einstellung der Multisystemerkrankung sollten Fehlgeburten dazu veranlassen, das Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, das möglicherweise auf Mastzellerkrankungen zurückzuführen ist, in Erwägung zu ziehen.
Haut: Ausschläge und Gewebeschädigungen (Läsionen) verschiedenster Art (klassische Urticaria pigmentosa, „Sommersprossen“, sichtbare erweiterte kleine Blutgefäße (Kapillargefäße) der Haut oder Gefäßfehlbindungen (teleangiektatische/angiomatöse Läsionen), trockene Haut (Xerose), Warzen, Hautanhängsel, Haarfollikelentzündung (Follikulitis), Geschwüre, juckende Bläschen und Blasen an Fingern, Händen oder Füßen (dyshidrotisches Ekzem), diffus wandernde, aber manchmal an einzelnen Stellen dauerhaft existierende Pigmentflecken (fleckiges Makulaerythem), Juckreiz (oft diffus wandernd, manchmal durch Wasserkontakt hervorgerufen (aquagen)), Hitzewallungen, Schwellung von Haut oder Schleimhaut (Angioödem), Dehnungsstreifen der Haut (Striae), auf der Haut „schreiben“ können (Dermatographismus), Haarausdünnung und Haarausfall (Alopezie), Wachstumsstörungen der Fingernägel (Onychodystrophie; brüchige Nägel, Längsrillen), schlechte Heilung.
Blut und Blutgerinnung: Vermehrung (Polyzythämie) oder Verminderung (Anämie) der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), dies kann bei großen (makrozytär), normalen (normozytär) oder kleinen (mikrozytär) Erythrozyten auftreten, Vermehrung (Leukozytose) oder Verminderung (Leukopenie) der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), chronischer (meist leichter) Anstieg der Monozyten (Monozytose) oder Eosinophilen (Eosinophilie) oder Basophilen (Basophilie), Vermehrung (Thrombozytose) oder Verminderung (Thrombozytopenie) der Blutplättchen (Thrombozyten), Verstopfung eines Blutgefäßes (arterielle und/oder venöse thromboembolische Erkrankung), Neigung zu Blutergüssen/Blutungen; beim Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) zeigt das Knochenmark gewöhnlich keine vermehrten (oder sogar veränderten) Mastzellen; das Gewebe des Knochenmarks wird oft als normal oder als nicht spezifiziertes Syndrom mit Bildung von zu wenigen (myelodysplastisch) oder zu vielen (myeloproliferatives) Blutzellen gesehen; standardmäßige Analyse der Chromosomen (zytogenetische Untersuchungen) sind fast immer normal oder zeigen ein Kulturversagen.
Herz und Blutgefäße: Kreislaufinstabilität mit Benommenheit, Schwäche, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel (Präsynkope) und/oder kurzzeitiger Bewusstlosigkeit (Synkope), bei den Patienten wurde möglicherweise ein postural-orthostatisches Tachykardie-Syndrom (POTS) oder eine neurokardiogene Synkope diagnostiziert, hoher (Hypertonie) und/oder niedriger Blutdruck (Hypotonie), Herzklopfen, Rhythmusstörungen, Beschwerden oder Schmerzen im Brustkorb (in der Regel nicht mit einer Angina zusammenhängend), Ablagerungen in den Arterien (arterielle Atherosklerose), Krämpfe der Gefäße, Infarkte, akute oder chronische Herzschwäche unklarer Ursache (Herzinsuffizienz, z.B. Takotsubo-Kardiomyopathie), Ausstülpung der Blutgefäße (Aneurysma), Ausstülpungen am After (Hämorrhoiden), Krampfadern (Varizen), anomales Wachstum von Blutgefäßen (gutartige Geschwulste der Blutgefäße (Hämangiome), arteriovenöse Missbildungen, erweiterte Äderchen (Teleangiektasien)), wandernde Schwellung (Migrationsödem; oft nicht abhängig und mit normaler Herz- und Nierenfunktion).
Hormone und Stoffwechsel: Abnorme Elektrolyte (einschließlich Magnesium) und Leberfunktionstests, verzögerte Pubertät, schmerzhafte Regelblutung (Dysmenorrhoe), Entzündung der Eierstöcke (Endometriose), Verhärtung (Osteosklerose) und/oder Brüchigkeit (Osteoporose) der Knochen, Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie), erhöhtes Eisen im Blut (Hyperferritinämie), selektive Vitamin- und/oder andere Mikronährstoffdefizite, Gewichtsveränderung, möglicherweise Diabetes mellitus.
Immunsystem: IgE- (Typ-I-), IgG/IgM- (Typ II-), Antikörperüberschuss- (Typ III-), erhöhtes Risiko für bösartige Krebserkrankungen, Autoimmunität, Spättyp-Immunreaktion- (Typ IV-) Überempfindlichkeitsreaktionen, beeinträchtigte Heilung, erhöhte Infektanfälligkeit, erhöhte oder verminderte Spiegel eines oder mehrerer Isotypen von Immunglobulin (IgA, IgD, IgE, IgG, IgM); eine geringgradige Vermehrung normaler oder fragmentierter Immunglobuline (monoklonale Gammopathie) von unbestimmter Signifikanz ist nicht ungewöhnlich.
Lunge und Atemwege: Entzündung der Nase (Rhinitis), der Nebenhöhlen (Sinusitis), das Rachens (Pharyngitis), des Kehlkopfes (Laryngitis), der Bronchien (Bronchitis), oder der Lunge (Pneumonitis; leicht mit infektiöser Lungenentzündung zu verwechseln), Husten, Atemnot/Kurzatmigkeit (Dyspnoe; oft geringgradig, unbeständig, „ich kann einfach nicht tief einatmen“ trotz normaler Lungenfunktionstests), Keuchen/Giemen, obstruktive Schlafapnoe, Bluthochdruck im Lungenkreislauf (pulmonale Hypertonie).
Lymphsystem: Erkrankungen der Lymphknoten (Adenopathie), meist noch nicht krankhaft (subpathologisch) und oft variierend (kommend und gehend), manchmal symptomlos, aber häufig auch empfindlich, manchmal auf eine Stelle konzentriert, manchmal wandernd, Pathologie zeigt meist eine Vermehrung von weißen Blutkörperchen als Reaktion (reaktive Lymphozytose) oder manchmal eine unspezifische Vermehrung von weißen Blutkörperchen (atypische unspezifische lymphoproliferative Störung); Beschwerden im linken oberen Quadranten (wahrscheinlich durch Freisetzung von Botenstoffen (Mediatoren) aus Mastzellen in der Milz mit oder ohne nachweisbare Milzvergrößerung (Splenomegalie)).
Magen und Darm: Luftschlucken (Aerophagie), Schwellung (Angioödem) in einem beliebigen Segment des Darms, Schluckstörung (Dysphagie, oft eher oben in Rachen/Speiseröhre, möglicherweise aufgrund einer Rachenschwellung (pharyngeales Angioödem), Blähungen, Schmerzen/Entzündungen (oft wan-dernd) in einem oder mehreren Segmenten des Darms (von Speiseröhrenentzündung (Ösophagitis) bis Enddarmentzündung (Proktitis)) und/oder einem oder mehreren Organen (z.B. Entzündung der Leber (Hepatitis) oder der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)), Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen (manchmal „zyklisch“), Durchfall und/oder Verstopfung (oft abwechselnd), schlechte Verwertung von Nährstoffen (Malabsorption; häufiger selektive Mikronährstoff-Malabsorption als allgemeine Eiweiß-Kalorien-Malabsorption), Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle (Aszites) entweder aufgrund von Pfortader-Bluthochdruck (portale Hypertonie) und/oder Bauchfellentzündung (peritoneale Serositis); Reflux (gastroösophageale Refluxkrankheit; oft „behandlungsresistent“) und entzündliches/ irritierbares Reizdarmsyndrom (IBS) sind häufige Vordiagnosen.
Mund und Rachen: Schmerz oder Reizung (manchmal „brennend“), weiße Flecken an der Schleimhaut (Leukoplakie), vermehrtes Bindegewebe (Fibrose), Knötchenflechte (Lichen planus), Geschwüre, Wunden, Schwellungen der Schleimhaut (Angioödem), Karies, Schmeckstörung (Dysgeusie), Kitzeln im Rachen/Unbequemlichkeit/Reizung/Schmerz, Nasensekret läuft in den Rachen (Postnasal-Drip-Syndrom).
Muskeln und Skelett: Klinisch relevante Entzündung der Skelettmuskulatur (Myositis; oft diffus wandernd (Fibromyalgie ist eine häufige Vordiagnose)), subklinische Myositis (d.h. keine Symptome, aber erhöhte Kreatinkinase, die nicht anderweitig erklärt werden kann), Gelenkentzündung (Arthritis; typischerweise wandernd), Gelenklaxheit/Hypermobilität (bei den Patienten wurde möglicher-weise das Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III diagnostiziert), brüchige Knochen/verminderte Knochendichte (Osteoporose/Osteopenie), Verhärtung des Knochengewebes (Osteosklerose), manchmal Osteoporose/Osteopenie/Osteosklerose gemischt; es ist nicht ungewöhnlich, dass mastzellenbedingte Muskel-Skelett-Schmerzen schlecht auf nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAR, z.B. Aspirin, Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac, aber auch viele andere) und gewisse Schmerzmittel (Narkotika) ansprechen.
Nervensystem: Kopfschmerzen (v.a. Migräne), Kreislaufinstabilität mit Benommenheit, Schwäche, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel (Präsynkope) und/oder kurzzeitiger Bewusstlosigkeit (Synkope), Erkrankungen des Nervensystems in den äußeren Bereichen des Körpers, Fühlen oder Bewegen betreffend, einschließlich Missempfindungen (Parästhesien), Tics, Zittern (Tremor; typischerweise im Ruhezustand), chronisch-entzündliche Nervenschädigung (demyelinisierende Polyneuropathie), Anfallsleiden (können „behandlungsrefraktär“ sein), nicht-epileptische/pseudoepileptische Anfälle, Störung des autonomen Nervensystems, welches die Körperfunktionen steuert (Dysautonomie), Verwachsungen der Hirnhaut (intradurale Verwachsungen, unter Umständen mit Kompression des Rückenmarks), organisches Psychosyndrom (mixed organic brain syndrome), mastzellmediatorinduzierter Sauerstoffmangel (Hypoxie), mangelnde Blutversorgung (Ischämie) mit Folgeerscheinungen (z.B. Parkinsonismus, Gehirnveränderungen (Enzephalopathie)), Parkinsonismus, Einblutungen (Hämorrhagie) durch mastzelleninduzierte Blutungen und Blutgerinnsel der Hirnvenen (Hirnvenenthrombosen) mit Folgesymptomen, unklare Störungen des Rückenmarks (medulläre Läsionen) im MRT, vorübergehende, unkontrollierte Bewegungen der Arme oder Beine (transiente Chorea), Restless-Leg-ähnliche Symptome, abnorme Werte im EEG (Elektroenzephalographie), epilepiseähnliche (epileptiforme) Störungen (oft therapieresistent), unwiderstehliche Schläfrigkeit/Schlafattacken, akustische Schreckreaktion, selektive Gehörempfindlichkeit (Hyperakusis; oft Bassreaktion), Ohrgeräusche (Tinnitus), neuronale Symptome einer Allergie, Schmerzüberempfindlichkeit.
Psyche: Stimmungsstörungen (z.B. Wut, Depression; oft scheinbar grundlos), bipolare affektive Störung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Angst und Panik, Psychosen, vielfältige Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen, Wortfindungsschwierigkeiten, andere kognitive Funktionsstörungen, Motivationsstörung, depressive Episode, Angststörung, visuelle Halluzinationen, die unter Blockade von Mastzellen verschwinden, Panikattacken, starrkrampfähnliche Symptome, Konzentrationsschwierigkeiten.
Ohren und Nase: Infektiöse oder sterile Entzündung (Otitis externa und/oder media), Ohrgeräusche (Tinnitus), Hörverlust oder Gehörüberempfindlichkeit (Hyperakusis), Knochenerkrankung des Ohres (Otosklerose), Entzündung der Nase (Coryza), verstopfte Nase, beeinträchtigter Geruchssinn (Dysosmie).
Warum sind die Symptome bei MCAS so unterschiedlich?
Die Unterschiedlichkeit der Symptome der Mastzellaktivierung
Auf den ersten Blick erscheint es eventuell merkwürdig, dass MCAS mit so vielen, und so unspezifischen Symptomen einhergehen und nicht nur zwischen verschiedenen Personen völlig gegensätzliche Symptome hervorrufen kann (beispielsweise zu viele oder zu wenige rote Blutkörperchen (18)), sondern mitunter auch innerhalb einer Person (Verstopfung und Durchfall wechseln sich ab (1,3)). Bei einer näheren Untersuchung dieses Themas ergeben sich jedoch mehrere Erklärungen für diesen Umstand, der im klinischen Kontext regelhaft beobachtet werden kann.
MCAS kann nicht nur zwischen verschiedenen Personen gegensätzliche Symptome hervorrufen, sondern auch innerhalb einer Person
Einige Theorien werden im Folgenden näher vorgestellt. Diese Punkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Über 1000 Botenstoffe der Mastzellen
Mastzellen funktionieren als Wächter des Immunsystems im Körper und können ultraschnell auf Angriffe und Verletzungen reagieren. Mastzellen können durch ihre über 1000 Botenstoffe (19) mit anderen Zellen im Körper kommunizieren und diese veranlassen, Dinge zu tun oder zu lassen. Bei gesunden Menschen funktioniert das wie ein Uhrwerk – da die Mastzellen einer der ältesten Teile des Immunsystems sind, haben sie durch ihre lange Evolution viel Zeit gehabt, sich zu optimieren und bestimmte Tricks zu lernen, um ihren Körper zu schützen.
Bei Menschen mit fehlregulierten bzw. überaktivierten Mastzellen kann dieses beeindruckende System jedoch gestört sein. In diesem Fall können die Mastzellen Botenstoffe auf die falschen (auch auf harmlose) Reize hin ausstoßen, oder zu viele oder zu wenige Botenstoffe, in die falsche Richtung, zur falschen Zeit, mit einer falschen Intensität oder Dauer… Es gibt hier viele Möglichkeiten. Welcher Punkt genau bei einem einzelnen Patienten schlecht funktioniert, ist zumeist unklar. In der Regel sind es nicht alle Punkte gleichzeitig. Genauso sind nicht alle Mastzellbotenstoffe und nicht alle Mastzellen im Körper betroffen.
Es wird angenommen, dass sich MCAS auch aufgrund von Punktmutationen im Genom entwickeln kann, welche „somatisch“ sind, also im Laufe des Lebens erworben werden (im Gegensatz zu den angeborenen Ausprägungen der Gene). Hier spielt auch die Epigenetik eine Rolle. Daher sind Mastzellen oft auch nur an einer Körperstelle überaktiviert. Aber auch von einer lokalen Position können sie systemische Effekte, also Effekte im ganzen Körper, auslösen. Die dysfunktionalen Mastzellen können die gesunden Mastzellen quasi „anstiften“. Bei einigen Menschen mit MCAS liegen in dem Sinne Störungen an den Mastzellen vor – aber auch das ist nicht bei allen Betroffenen so.
Oft stellen die Mastzellen selbst nicht das gesamte Problem dar. Die Erfahrung zeigt, dass bei vielen Menschen mit MCAS ein Grund vorliegt, warum die Mastzellen keine Ruhe geben. Diese Gründe sind beinahe so verschieden wie die Menschen selbst – häufig kommen jedoch folgende Ursachen vor:
- eine (oft unbekannte) Allergie
- eine andauernde Infektion – bakteriell, viral, parasitär
- Schadstoffkontakt, sowohl akut als auch chronisch – sehr häufig sind hier Schimmeltoxine zu nennen
- eine entzündliche chronische Erkrankung
- Dauerstress
- Überlastung und Überreizung des Nervensystems
- Schieflagen bei den Hormonen (z.B. Östrogendominanz) oder im Stoffwechsel (z.B. metabolisches Syndrom, Insulinresistenz)
- Erkrankungen des Darms, inkl. Leaky Gut und Darm-Dysbiose
Unabhängig davon, ob die Mastzellen nun wirklich in ihrer Funktion gestört sind und abnormal darauf reagieren, oder ob die Mastzellen einfach „nur“ besonders empfindlich sind, aber ansonsten normal funktionieren: Diese Ursachen (und noch einige mehr) können für eine dauerhafte Aktivierung der Mastzellen sorgen und damit die Symptome von MCAS bedingen. Eine Behandlung der für die individuelle, betroffene Person wichtigen Ursache(n) kann hier wesentliche Besserung bringen.
So wird deutlich, dass überaktivierte Mastzellen nicht immer eine „Krankheit“ im klassischen Sinne darstellen. Vielmehr ist ein sehr wichtiger Mechanismus im Körper in eine Schieflage geraten – manchmal aus nachvollziehbaren Gründen. Und nun funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr so, wie er soll.
Bildlich gesprochen hat sich in eine sehr fein eingestellte Maschine irgendwo ein Fehler oder der sprichwörtliche Sand im Getriebe eingeschlichen, und nun rattert und klappert sie. Beim einen mehr, beim anderen weniger. Dies ist ein wichtiger Punkt, um zu verstehen, warum MCAS-Patienten in ihren Symptomen so unterschiedlich sind.
2. Netzwerktheorie
Bevor die Netzwerktheorie vorgestellt wird, muss angemerkt werden, dass diese bisher in keiner wissenschaftlichen Publikation auf MCAS oder Mastzellen bezogen wurde. Insofern versteht sich dieser Abschnitt als Spekulation darüber, dass diese wissenschaftliche Allgemeintheorie auch bei MCAS Anwendung finden könnte.
In wissenschaftlichen Überlegungen über Krankheiten wird zunehmend ein vernetztes Modell bevorzugt. In diesem werden nicht nur die Unterschiede zwischen den Krankheiten beleuchtet, sondern auch ihre Gemeinsamkeiten.
Krankheiten werden in der Folge in vielen Fällen nicht ausschließlich als klar voneinander abgegrenzte Einheiten gesehen, sondern als überlappend (15). So teilen sich viele Erkrankungen Symptome und Ursachen. Ein sehr bekanntes Beispiel sind Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Diabetes: Alle diese weit verbreiteten Krankheiten werden wesentlich durch einen ungesunden Lebensstil (Rauchen, Übergewicht, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung) begünstigt. Sie haben also Gemeinsamkeiten.
Die Körpernetzwerke unterscheiden sich, und so unterscheidet sich auch ihre Reaktion auf bestimmte Reize
Die Netzwerktheorie besagt unter anderem, vereinfacht gesagt, dass viele Merkmale, die ein Mensch hat, wie in einem Netzwerk untereinander verknüpft sind (15). Ein Beispiel: Wenn Mario eine Tasse Kaffee trinkt, wird er zittrig und unruhig. Maike spürt dies erst nach vier Tassen. Bei Mario sind also die Punkte „Kaffeetrinken“ und „nervliche Unruhe“ stärker miteinander verbunden als bei Maike.
Diese Verbindungen können in ganz unterschiedlichen Ausprägungen zwischen den Menschen variieren, z.B. auch bei der Wirkung von Behandlungen und Medikamenten. So kann erklärt werden, warum Menschen sehr unterschiedlich reagieren. Es wird also deutlich, dass die Körpernetzwerke sich unterscheiden, und so unterscheidet sich auch ihre Reaktion auf bestimmte Reize. Wenn ein besonderer Reiz eintritt, z.B. Stress auf der Arbeit, so reagiert Wolfgang vielleicht mit Kopfschmerzen, und Verena mit Bauchschmerzen. Durch die Unterschiede in der Stärke der Verbindungen innerhalb des persönlichen Körpernetzwerkes unterscheiden sich die Netzwerke von Wolfgang und Verena auch deutlich darin, welche Symptome sie wahrscheinlich produzieren werden (15). Einige besonders zentrale Punkte in solchen Netzwerken haben einen Einfluss in vielen Erkrankungen. Dazu gehören z.B. Schlafstörungen oder Konzentrationsprobleme (15).
Letztlich bietet die Netzwerktheorie auch einen Ansatz, um zu erklären, warum einige Personen nach einem belastenden Ereignis sofort Symptome entwickeln, während dies bei anderen erst mit einer Zeitverzögerung einsetzt. Es sei aber dazu gesagt, dass die Netzwerktheorie als wissenschaftlicher Ansatz weiterhin diskutiert wird, und nicht als „bewiesenes“ Konzept gilt.
3. Reaktionsstereotypien
Ein eng mit der Netzwerktheorie verbundenes Konzept ist das der Reaktionsstereotypie. Reaktionsstereotypie bedeutet, dass eine Person in verschiedenen, belastenden Situationen relativ typisch eine gewisse Reaktion zeigt. Um das Beispiel von oben wieder aufzunehmen: Bei Stress reagiert Wolfgang mit Kopfschmerzen und Verena mit Bauchschmerzen. Für Wolfgang sind „Kopfschmerzen“ die stereotype (immer wieder in der gleichen Form auftretende) Reaktion seines Körpers, für Verena sind die Bauchschmerzen die stereotype Reaktion ihres Körpers.
Eine Reaktionsstereotypie kann also darin liegen, dass diese Person zuverlässig im selben physiologischen System eine verstärkte und verlängerte Reaktion aufweist (16,17). So zeigen beispielsweise Patienten mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzen eine Tendenz, stärker in der schmerzrelevanten Muskulatur auf Stress zu reagieren. Sie zeigen zudem eine langsamere Rückkehr dieser Reaktion zum Normalzustand (16). Dadurch entsteht ein guter Denkansatz, um zu erklären, warum verschiedene Personen in der gleichen Situation unterschiedlich reagieren.
Und das gilt natürlich auch für die vielfältigen Möglichkeiten, mit denen Mastzellen an den zahlreichen Stellen des Körpers auf die unendliche Menge an Reizen aus der Umwelt reagieren.
Wie ist der typische Verlauf von MCAS?
Der typische Verlauf einer MCAS-Erkrankung
Erste Symptome von MCAS werden meist spätestens im Jugendalter sichtbar, wobei einige Betroffene auch schon vorher Symptome aufwiesen, teilweise sogar im Säuglingsalter (4,5).
Die Symptome sind oft zunächst milde und finden lokal statt, also an einer Körperstelle. Typisch sind Heuschnupfen und andere Allergien, Koliken, Nahrungsmittelintoleranzen, schmerzhafte (Dysmenorrhoe) oder verlängerte (Menorrhagie) Monatsblutung schon bald nach der ersten Blutung (Menarche), sowie andere entzündliche oder allergische Probleme, die oft entweder irrtümlich als normal diagnostiziert, oder als Problem unbekannter Ursache ignoriert werden (12). Möglich sind auch mysteriöse Symptome, die sich nicht so richtig erklären lassen, aber entweder von allein oder durch die normale hausärztliche Behandlung wieder verschwinden.
Häufig erleben Betroffene im Erwachsenenalter eine Verschlechterung der Symptome. Waren diese vorher lokal, also auf einzelne Körperstellen oder Ereignisse begrenzt, so werden sie nun systemisch und beziehen sie sich auf mehrere Körpersysteme, z.B. die Haut und die Atemwege, oder den Magen-Darm-Trakt und das Nervensystem. Ebenso können Symptome, die zuvor nur hin und wieder aufgetreten sind, nun häufiger oder dauerhaft auftreten. Eine solche Verschlechterung der Symptome tritt typischerweise auf ein bestimmtes, belastendes Ereignis hin auf, welches die Betroffenen meist auch genau nennen können (5).
Oft werden hier Krankheiten wie z.B. Covid-19, Borreliose, Herpes oder Pfeiffersches Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus, EBV) genannt, aber auch lange anhaltende Phasen starker Belastung. Diese können sowohl körperlich sein, z.B. ein Unfall oder eine Schwangerschaft, als auch seelisch, z.B. eine Trennung, der Tod einer nahestehenden Person, oder eine große Veränderung im Leben. Auch Kontakte mit einem neuen Antigen, z.B. durch Nahrung oder Reisen, oder mit Schadstoffen, beispielsweise bei einer dauerhaften Schimmelbelastung in der Wohnung, können MCAS auslösen und/oder verschlimmern (5). Häufig kommen sogar mehrere dieser belastenden Faktoren zusammen.
Durch die unspezifische Natur der Symptome bleibt MCAS oft für Jahre oder Jahrzehnte unerkannt
Durch die unspezifische Natur der MCAS-Symptome bleibt die Erkrankung oft für Jahre oder Jahrzehnte unerkannt, und die Betroffenen sind in dieser Zeit chronisch krank, ohne eine Erklärung dafür zu haben (4,5). Daraus kann sich eine beschränkte Teilnahme am Alltag ergeben. Das kommt häufig vor, und kann mitunter stark ausgeprägt sein (5).
Dieser Verlauf von MCAS ist sehr typisch. Auch wenn die Symptome sehr unterschiedlich und unspezifisch sein können, kann mit etwas Erfahrung anhand dieses Verlaufs MCAS leicht erkannt werden. Die Laboruntersuchungen können dann, gemeinsam mit dem gesamten klinischen Beschwerdebild, die Diagnose sichern.
Wie wird MCAS diagnostiziert?
Der erste diagnostische Hinweis ist die Krankheitsgeschichte, also die Symptome und der Verlauf (1,6). Was auf den ersten Blick sehr komplex wirkt, ist mit etwas Erfahrung leicht wiederzuerkennen: Die grundlegenden Aspekte der individuellen Geschichten stellen sich meist sehr ähnlich dar und werden nur mit unterschiedlichen Symptomen ausgefüllt.
Eine Möglichkeit, einen ersten Verdacht auf MCAS zu beleuchten, ist die Diagnosecheckliste der Universität Bonn (7). Dieser Fragebogen ist allerdings nicht ausreichend für eine Diagnose und ist auch nicht mit diesem Ziel entwickelt worden, obwohl es im Fragebogen selbst etwas missverständlich ausgedrückt ist. Er bietet aber einen guten Hinweis (wenn auch keinen Beweis) auf ein mögliches Vorliegen eines MCAS. Eine genaue Anleitung zum Ausfüllen des Fragebogens wird im Fragebogen selbst gegeben.
Jeder Arzt kann MCAS diagnostizieren. Wichtig ist, dass er oder sie bereit ist, zuzuhören und zu lernen
Für eine wirklich verlässliche Diagnostik benötigst du jedoch ärztliche Unterstützung. Es gibt in Deutschland bereits einige Kliniken und Praxen, die sich mit MCAS auskennen und es diagnostizieren können. Eine Adressenliste findest du hier. Wichtig ist hier, zu wissen: Da es noch nicht sehr viele Anlaufstellen für MCAS in Deutschland gibt, sind diese sind häufig förmlich überrannt von MCAS-Betroffenen. Daher kann es sein, dass du nicht so schnell einen Termin bekommen wirst, oder dass sich in deiner Nähe kein Arzt findet, der sich mit MCAS auskennt. Das ist kein Grund zu verzagen – denn eigentlich kann jeder Arzt und jede Ärztin MCAS diagnostizieren. Wichtig ist nur, dass er oder sie willens ist, zuzuhören und zu lernen. MCAS ist eine Erkrankung des ganzen Körpers, bzw. individuell verschiedener Systeme des Körpers, und gehört daher zu keiner bestimmten Fachrichtung.
Wenn du einen Arzt gefunden hast, dann ist es sinnvoll, deine bisherigen Untersuchungsergebnisse zu kopieren, zu sortieren, und mitzubringen. Typischerweise haben MCAS-Betroffene einen langen Leidensweg hinter sich, und schon viele Untersuchungen bei zahlreichen Ärzten hinter sich. Dieser Überblick kann gute Hinweise enthalten und gegebenenfalls Differenzialdiagnosen bestätigen oder ausschließen. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, eine möglichst kompakte aber umfassende Zusammenstellung der persönlichen Krankheitsgeschichte schriftlich mitzubringen. Versuche dabei, möglichst konkret und komplett, aber nicht ausschweifend zu sein. In den meisten Praxen, die Leistungen zu MCAS anbieten, herrscht akute Zeitnot, und du möchtest ja, dass deine Unterlagen auch tatsächlich gelesen werden. Mache es deiner Ärztin also möglichst einfach, genau das auch zu tun.
Fang am besten ein paar Tage vor deinem Termin an, deine Symptome aufzuschreiben. Viele MCAS-Betroffene vergessen, Symptome zu erwähnen, da sie für sie quasi schon normal geworden sind. Wahrscheinlich fällt dir nach und nach noch einiges ein.
Diese Tipps gelten generell für die MCAS-Diagnostik, obwohl die genauen Diagnosekriterien für MCAS noch nicht abschließend festgelegt sind, sondern besonders von zwei Forschergruppen weiterhin wissenschaftlich diskutiert werden. Alles über die zwei verschiedenen Vorschläge für die Diagnosekriterien von MCAS erfährst du in meinem E-Book zu den Diagnosekriterien für MCAS. Dieses ist in einer Kurzform für Fachpersonal verfügbar, die aber auch für Betroffene interessant ist. Eine erweiterte Version für Patient:innen mit Erklärungen und meiner Perspektive zu den Inhalten erscheint in Kürze. Sobald es soweit ist, gebe ich in meinem kostenlosen Newsletter Bescheid! Die Anmeldung für den Newsletter findest du weiter oben auf dieser Seite.
Welche Laboruntersuchungen sind für die MCAS-Diagnostik relevant?
Nachdem durch die Krankheitsgeschichte der Verdacht einer Mastzellerkrankung entstanden ist, kann dieser Verdacht durch Laboruntersuchungen untermauert werden. Um eine Mastzellerkrankung festzustellen, kommen verschiedene Untersuchungen in Betracht. Dabei wird in der Regel mit den einfacheren, weniger invasiven Untersuchungen begonnen.
Zu Beginn der Diagnostik ist der Tryptasewert wichtig, da dieser einen Hinweis geben kann, ob eine weitere Diagnostik in Richtung Mastozytose (einer mit MCAS verwandten, aber schwereren und deutlich selteneren Erkrankung) notwendig ist, oder sich die Diagnostik auf MCAS konzentrieren soll. Ein Serumtryptasewert, der dauerhaft über 20 ng/ml erhöht ist, kann ein Hinweis auf Mastozytose sein. In diesem Fall sind weitere Untersuchungen notwendig (1). Ist der Tryptasewert erhöht, aber in geringerem Umfang (über 8ng/ml), kommt auch die hereditäre Alpha-Tryptasämie (HaT) in Frage. Diese gehört ebenfalls zu den Mastzellerkrankungen und lässt sich über einen Gentest nachweisen. Man kann MCAS und HaT unabhängig voneinander, aber auch gemeinsam haben.
Die genauen Diagnosekriterien für MCAS werden aktuell noch heiß diskutiert. Hier sind besonders zwei Forschergruppen sehr aktiv. Wenn du alles über die zwei verschiedenen Vorschläge für die Diagnosekriterien von MCAS wissen willst, und welche Rolle Tryptase in der Diagnostik für MCAS spielt, dann schau dir gerne mein E-Book zu den Diagnosekriterien für MCAS an. Aktuell steht es in einer Kurzform für Fachpersonal bereit, die aber auch für Betroffene interessant ist. Eine Version für Patient:innen mit mehr Erklärungen und Einordnung der Situation sowie mit meiner Perspektive zu den Inhalten erscheint in Kürze. Sobald es soweit ist, gebe ich in meinem kostenlosen Newsletter Bescheid! Die Anmeldung für den Newsletter findest du weiter oben auf dieser Seite.
Obwohl die Diagnosekriterien noch nicht abschließend festgelegt worden sind, können auch jetzt schon folgende Untersuchungen genutzt werden, um MCAS festzustellen:
Urinuntersuchungen (1,6,7,9,11):
Im Urin lassen sich Stoffwechselprodukte von Botenstoffen der Mastzellen feststellen. Zur Standarddiagnostik gehören:
- N-Methylhistamin
- Prostaglandin D2 (und/oder dessen Stoffwechselprodukt 11-β-PGF2α)
Jeweils sowohl im Sammelurin über 24 Stunden, als auch in einer einzelnen Urinprobe. Der 24h-Sammelurin wird hierbei bevorzugt (1,11), aber auch Einzelproben haben ihre Daseinsberechtigung (1).
Bei Bedarf können auch Leukotriene (LTB4, LTC4, LTD4, LTE4) im gekühlten Urin getestet werden.
Es ist wichtig, dass diese Proben die ganze Zeit über gekühlt werden. Einige Mastzellbotenstoffe sind sehr hitzelabil, und ihre Konzentration in den Proben verringert sich bei Raumtemperatur innerhalb von Minuten deutlich (1). Dann wäre der für den Nachweis wichtige Stoff in der Probe nur noch in deutlich geringerem Umfang vorhanden, als er es eigentlich wäre, wenn die Probe nur richtig gekühlt worden wäre.
Blutuntersuchungen (1,6,7,9,11):
Blutuntersuchungen sind ein wichtiger Teil der MCAS-Diagnostik. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Medikamente die Werte einiger Mastzellbotenstoffe beeinflussen können, z.B. Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol, Pantoprazol, Esomeprazol, Rabeprazol und Lansoprazol, und Mastzellstabilisatoren. Ruf vor deinem Termin bei deinem Arzt an, und frage nach, ob du eventuell ein Medikament einnimmst, welches die Werte verfälschen kann, und was du tun kannst. Auch nicht-medikamentöse bzw. natürliche Substanzen können die Werte beeinflussen, wie z.B. frei verkäufliche Mastzellstabilisatoren.
Folgende Untersuchungen bieten sich an (1,6,9,11):
- Serum-Tryptase
- Gekühltes Plasma auf Prostaglandin D2, und/oder 11-β-PGF2α. Die Einnahme von NSAR sollte mindestens 5 Tage vor der Testung vermieden werden. NSAR steht für nicht-steroidale Entzündungshemmer. Davon gibt es viele unterschiedliche, bekannte sind z.B. Aspirin, Diclofenac, Ibuprofen, Celecoxib und Naproxen. Eine umfassende Liste findest du bei DocCheck.
- Gekühltes Plasma auf Histamin. Falls du histaminarm lebst, besprich das mit deinem Arzt.
- Gekühltes Plasma auf Heparin, falls keine externen Heparinprodukte benutzt werden. Heparin ist z.B. in HepaGel, Calciparine, Hemeran, Hirudoid und Varidoid enthalten. Falls du einen solchen Wirkstoff benutzt, frage am besten deinen Arzt, wie du bei der Testung damit umgehen sollst.
- Serum-Chromogranin A. Die Einnahme von Protonenpumpenhemmern sollte mindestens 5 Tage vor der Testung vermieden werden. Chromogranin A wird von einigen Ärzten und Ärztinnen als eine Option zum Nachweis von MCAS gewertet, von anderen jedoch als ungeeignet angesehen.
Idealerweise sollten die Proben möglichst bald nach einem akuten Schub gesammelt werden (1,11). Allerdings ist es generell bei der Eingangsdiagnostik nicht nötig, ein solches Ereignis abzuwarten, da meist schon seit Jahren dauerhafte Symptome vorliegen. Sollten die Tests allerdings negativ ausfallen, bietet es sich an, die Testung in einem akuten Schub zu wiederholen (1). Generell gilt, dass ein negatives Ergebnis MCAS nicht ausschließt (6).
Ein negatives Laborergebnis schließt MCAS nicht aus
Zu Blutuntersuchungen ist anzumerken, dass zwar über 1000 Botenstoffe der Mastzellen grundsätzlich bekannt sind, sich aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur ein extrem geringer Teil davon anbietet, um eine Mastzellaktivierung und damit MCAS nachzuweisen (7). Das liegt zum einen daran, dass viele der Botenstoffe zwar in Forschungslaboren gemessen werden können (sonst wüssten wir ja nicht, dass es sie gibt), aber nicht in klinischen Laboren, die mit Patienten zusammenarbeiten können. Zum anderen sind die Geräte, die dafür benötigt werden, mitunter sehr teuer, und daher nur in wenigen Laboren vorhanden.
Die Behandlung der Proben selbst ist zwar nicht besonders kompliziert, aber besonderen Maßnahmen unterworfen. So müssen (besonders für die Untersuchung von Heparin) die Proben beispielsweise bereits in gekühlten Röhrchen aufgefangen werden, danach sofort weiter gekühlt, und dann gekühlt verschickt werden. Einige Botenstoffe, darunter besonders Heparin, sind bei Raumtemperatur nicht stabil und bauen sich innerhalb von kurzer Zeit ab. Dann sind sie in der Probe nicht mehr feststellbar, oder unter dem Grenzwert. Eine ununterbrochene Kühlkette, auch bei allen Lagerorten und Transportwegen, ist demnach unerlässlich.
Das letzte „Problem“ in der Blutuntersuchung auf MCAS ist, dass nicht alle Botenstoffe spezifisch aus der Mastzelle kommen. Viele Botenstoffe, die die Mastzelle produziert, werden auch aus anderen Zellen produziert. Diese bieten sich daher nicht an, um speziell auf Probleme mit Mastzellen zu testen. Einige Mastzellbotenstoffe, z.B. Histamin und Prostaglandin D2, können jedoch trotzdem für die Diagnostik genutzt werden, da sie in den Mastzellen hundert- oder sogar tausendfach mehr vorkommen als in den anderen Zellen (12).
Biopsien (6,10):
In Gewebeproben, die bei Biopsien entnommen werden, können Mastzellen erkannt und ausgezählt werden. Dabei ist sowohl die Zahl der Mastzellen, als auch ihre Form interessant. Werden mehr als 19 Mastzellen pro Gesichtsfeld bei 40facher Vergrößerung gefunden, so ist dies ein Hinweis auf pathologische Prozesse (6).
Ebenso ist eine sehr hohe Zahl an Mastzellen, eine ungewöhnliche Form (spindelig statt rund), Klonalität (viele Mastzellen als Klone einer Mastzelle) und eine Ansammlung von Mastzellen in „Nestern“ auffällig. Auch die Untersuchung der Biopsie auf das Vorliegen der KIT-Mutation D816V kann sinnvoll sein (6). Allerdings treten diese starken Überzahlen, ungewöhnlichen Formen und Ansammlungen sowie diese Mutation nicht typischerweise bei MCAS auf, sondern bei der verwandten Erkrankung Mastozytose, die viel seltener ist (1,12). Wichtig zu wissen: Falls diese Merkmale zwar vorliegen, sie aber nicht die Kriterien zur Diagnose einer Mastozytose erfüllen, wird manchmal MCAS oder MMAS (monoklonales Mastzellaktivierungssyndrom) diagnostiziert.
Eine unauffällige Dichte und Form (Morphologie) der Mastzellen in den Gewebeproben schließt MCAS nicht aus, nur ein positiver Befund ist aussagekräftig (6).
Alte Biopsien können ebenfalls zur Untersuchung herangezogen werden
Üblicherweise wird bei Biopsien mit den einfachsten und am wenigsten invasiven Methoden begonnen, das ist in der Regel eine Spiegelung des Magens und/oder Darms (1,6,12). Ein guter Tipp bei Biopsien ist, dass alte Biopsien ebenfalls zur Untersuchung herangezogen werden können (1).
Da MCAS-Betroffene oft schon eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich haben, haben sie nicht selten auch schon eine oder mehrere Spiegelungen oder Biopsien hinter sich. Die entnommenen Proben werden oft noch über Jahre in den entsprechenden Pathologien aufbewahrt, und können für erneute Untersuchungen herangezogen werden. Dadurch ist keine neue Spiegelung notwendig – es sei denn, die vorherigen Spiegelungen fanden vor dem Beginn der Symptome statt.
Du kannst selbst herausfinden, in welcher Pathologie deine Probe liegt, indem du in der Praxis, in der die Spiegelung gemacht wurde, nachfragst. Dann kannst du in der Pathologie anrufen, und fragen, ob die Probe noch da ist. Ist sie noch da, dann kannst du mit einer Ärztin sprechen, welche dann wiederum die neue Untersuchung veranlassen kann.
Es ist dabei extrem wichtig, bestimmte Verfahren anzuwenden. Mastzellen können bei den üblichen Untersuchungsverfahren aussehen wie andere Zellen – und dann werden sie nicht erkannt. Auch wenn eine Probe ansonsten absolut normal und gesund aussieht, ist es wichtig, diese spezielle Untersuchung durchzuführen. Die entnommenen Biopsien müssen mit CD117-, Tryptase-, und CD25-Antikörpern untersucht werden (6,10). Auch andere Färbungen können sich anbieten (1). Dabei sind die Mastzellen bei einer Färbung mit CD117 besonders gut sichtbar, daher ist CD117 oft allein ausreichend, um die Dichte und Verteilung von Mastzellen zu untersuchen (1).
Ein neueres Verfahren zur Untersuchung von Mastzellen ist der sogenannte Tryptase-Freisetzungsindex (20). Hier werden in dem entnommenen Gewebe die Mastzellen mit CD117 und mit Tryptase gefärbt. CD117 färbt alle Mastzellen, und Tryptase färbt die Mastzellen, die ihre Tryptase noch in sich tragen. Zieht man von der Zahl aller Mastzellen die Mastzellen ab, die ihre Tryptase noch haben, ergeben sich daraus die Mastzellen, die ihre Tryptase bereits freigesetzt haben. Daraus ergibt sich ein Hinweis auf die Aktivierung dieser Mastzellen.
Da sich Mastzellen typischerweise an den Schnittstellen des Körpers mit der Umwelt aufhalten (z.B. Verdauungstrakt, Haut, Atemwege), können histologische, also aus dem Gewebe kommende, Nachweise für MCAS manchmal an diesen Orten gefunden werden (14).
Eine wichtige Anmerkung zur Diagnostik ist, dass ein negatives Ergebnis nicht bedeutet, dass du kein MCAS hast (6). Deine Krankengeschichte kann keine Untersuchung der Welt in Zweifel ziehen. Mastzellaktivierung ist notorisch schwer zu messen. Dr. Afrin, Pionier in der MCAS-Forschung und Behandlung, testet bis zu drei Mal Urin und Blut, falls sich nicht beim ersten Mal ein positives Ergebnis findet (13).
Falls eine Probe nicht richtig gehändelt wurde, z.B. nicht sofort gekühlt, oder nicht gekühlt zentrifugiert (das ist besonders in der Heparindiagnostik wichtig), dann zählt der Versuch nicht einmal. Merke: Ein positives Ergebnis weist MCAS nach, ein negatives Ergebnis ist (zumindest beim ersten Test) kein Beweis dafür, dass du kein MCAS hast (6).
Weitere Informationen zu dem Thema Laboruntersuchungen in der MCAS-Diagnostik erfährst du in meinem E-Book zu den Diagnosekriterien.
Welche Erkrankungen müssen bei MCAS ausgeschlossen werden?
Da MCAS relativ unspezifische Symptome mit sich bringt, gibt es eine Reihe von Differenzial-diagnosen, die ausgeschlossen werden müssen. Eine Differenzialdiagnose ist eine Diagnose mit einem ähnlichen Krankheitsbild. Es ist also wichtig, diese abzuklären – möglicherweise hast du nicht MCAS, sondern eine andere Krankheit, die ganz ähnlich aussieht.
Das ist auch für die Laboruntersuchungen wichtig, da einzelne Mastzellbotenstoffe bei anderen Erkrankungen ebenfalls erhöht sein können. Bringe also andere Befunde mit zu deinem Arzttermin, in denen die Diagnosen festgehalten sind, die du bereits erhalten hast. Das erleichtert diesen Teil der Diagnostik unter Umständen erheblich.
Im Folgenden findest du die Erkrankungen, die ausgeschlossen werden müssen, zusammen mit den empfohlenen Strategien zum Ausschluss der Erkrankung (7).
Endokrine Erkrankungen
- Diabetes mellitus (Laborwertbestimmung)
- Porphyrie (Laborwertbestimmung)
- Hereditäre Hyperbilirubinämien (Laborwertbestimmung)
- Schilddrüsenerkrankungen (Laborwertbestimmung)
- Morbus Fabry (klinisches Bild, molekulargenetische Untersuchung)
Gastrointestinale Erkrankungen
- Helicobacter-positive Gastritis (Gastroskopie, Gewebeuntersuchung)
- Infektiöse Enteritis (Stuhluntersuchung)
- Parasitosen (Stuhluntersuchung)
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Endoskopie, Gewebeuntersuchung)
- Primäre Zöliakie (Laborwertbestimmung, Gewebeuntersuchung)
- Laktose- oder Fruktoseintoleranz (Belastungstest)
- Mikroskopische Colitiden (Endoskopie, Gewebeuntersuchung)
- Amyloidose (Endoskopie, Gewebeuntersuchung)
- Briden, Volvulus u. ä. (Anamnese, bildgebende Untersuchungen)
- Hepatitis (Laborwertbestimmung)
- Cholecystolithiasis (bildgebende Untersuchungen)
Immunologische/neoplastische Erkrankungen
- Carcinoidtumor (Laborwertbestimmung)
- Phäochromozytom (Laborwertbestimmung)
- Pankreatische endokrine Tumoren [Gastrinom, Insulinom, Glukagonom, Somatostatinom, VIPom] (Laborwertbestimmung)
- Primäre gastrointestinale Allergien (Anamnese)
- Hypereosinophiles Syndrom (Laborwertbestimmung)
- Hereditäres Angioödem (Anamnese, Laborwertbestimmung)
- Vaskulitis (klinisches Bild, Laborwertbestimmung)
- Intestinale Lymphome (bildgebende Untersuchungen)
Eine weitere Quelle von erhöhtem Chromogranin A können sein: Herz- oder Nierenversagen, neuroendokrine Tumore, kürzliche Einnahme von Protonenpumpenhemmern (10).
Es ist hier wichtig anzumerken, dass nicht für alle diese Differenzialdiagnosen zwingend die komplette Diagnostik durchlaufen werden muss. Einige können auch anhand deiner Symptomatik beurteilt werden. Wenn sich deine Symptome z.B. hauptsächlich im Bereich der Haut und der Atemwege zeigen, dann stehen Briden (Verwachsungen im Bauchraum) oder ein Volvulus (Darmverdrehung) als abzuklärende Ursache vermutlich nicht an erster Stelle. Diese sind bei Bauchschmerzen relevanter.
MCAS kurz erklärt – eine Zusammenfassung
Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine äußerst verwirrende Erkrankung und kann auf den ersten Blick in ihren vielfältigen Ausprägungen beinahe wie ausgedacht wirken. Das wandelbare Erscheinungsbild lässt sich allerdings leicht durch die Mastzellen selbst erklären.
MCAS wird im Wesentlichen durch einen Mechanismus im eigenen Körper verursacht, der nicht mehr rund läuft. Die Mastzellen, die uns eigentlich gegen Eindringlinge und Bedrohungen schützen sollen, sind fehlreguliert und/oder überaktiv und reagieren auch auf Stoffe, die eigentlich keine Bedrohung sind. Oft gibt es dafür einen oder meistens sogar mehrere Gründe, aber manchmal sind diese nicht so leicht festzustellen.
Die Mastzellen sind hervorragende Kommunikatoren im Körper und haben über 1000 verschiedene Botenstoffe zur Verfügung (19). Mit diesen Botenstoffen können sie andere Zellen und Gewebe dazu veranlassen, Dinge zu tun oder zu lassen. Durch diese sehr breit gestreuten Aufgaben der Mastzellen erklärt sich die Variationsbreite der Symptome.
Menschen mit MCAS haben üblicherweise nicht mit allen Mastzellen im Körper Probleme, und auch nicht mit allen Mastzellbotenstoffen. Dennoch kann das Leid erheblich sein und die Symptome zahlreich. Es gibt jedoch verschiedene Denkansätze, mit denen die Verschiedenheit der Symptome zwischen den einzelnen Patienten (und durchaus auch innerhalb eines Patienten) erklärt werden kann.
So unterschiedlich die einzelnen Symptome bei den verschiedenen Patienten auch sind – MCAS hat in der Regel einen ganz typischen Verlauf und lässt sich mit etwas Erfahrung relativ schnell erkennen. Nachdem der Verdacht durch die Krankheitsgeschichte entstanden ist, kann MCAS diagnostiziert werden. Dies wird durch Laboruntersuchungen gemacht, wobei der Ausschluss einiger anderer Diagnosen, sogenannter Differenzialdiagnosen, wichtig ist.
Was mache ich, wenn ich MCAS habe?
Wenn sich dein Verdacht erhärtet hat, und du tatsächlich MCAS hast – herzliches Beileid und herzlichen Glückwunsch! Auf der einen Seite ist MCAS keine schöne Erkrankung, aber auf der anderen Seite weißt du nun endlich, was es ist, was dich krank macht. Und nun kannst du damit beginnen, etwas dagegen zu tun und dir dein Leben und deine Energie zurückzuholen! Auch wenn das alles am Anfang wie ein riesiger Berg wirkt: Die meisten Menschen mit MCAS finden mit der Zeit einen guten Weg, mit MCAS zu leben und sich besser zu fühlen. Und auch wenn MCAS eine komplexe Erkrankung ist, hast du sehr viel selbst in der Hand und kannst deinen Weg zur Besserung selbst in die Hand nehmen!
Wenn du wissen möchtest, welche Schritte nach einer MCAS-Diagnose besonders wichtig sind, lies hier weiter.
Und wenn du dir Hilfe mit deinem MCAS wünschst, komm gerne in meine MCAS-Beratung! Dort gehe ich persönlich auf deine individuellen Anliegen ein, suche mit dir zusammen die Ursache deiner Beschwerden und empfehle die für dich wichtigen nächsten Schritte.
*Dieser Artikel wird dauerhaft weiter aktualisiert und ausgebaut. Wenn du ein Thema hier besonders vermisst, sag mir gerne Bescheid!
Weiterführende Literatur und wissenschaftliche Quellen zu MCAS
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- Klinger R, Hasenbring MI, Pfingsten M (2016). Multiaxiale Schmerzklassifikation: Psychosoziale Dimension – MASK-P, Springer Verlag, Berlin, S. 67, Ausschnitte hier verfügbar über Google Books: https://books.google.de/books?id=xoVPDAAAQBAJ, das ganze Buch bei Amazon: https://amzn.to/2yCC9lx
Wenn du das Buch über diesen Link kaufst, bekomme ich eine kleine Provision. Für dich kostet das nichts extra. - Birbaumer N, Schmidt RF (1996). Biologische Psychologie, Springer Verlag, Berlin, S. 356, Ausschnitte hier verfügbar über Google Books: https://books.google.de/books?id=Z8KIBwAAQBAJ, das ganze Buch bei Amazon: https://amzn.to/35NJAm1
Wenn du das Buch über diesen Link kaufst, bekomme ich eine kleine Provision. Für dich kostet das nichts extra. - Afrin LB (2016). Never Bet Against Occam: Mast Cell Activation Disease and The Modern Epidemic of Chronic Illness and Medical Complexity. Bethesda, Maryland: Sisters Media. Chapter 25: Treatment of MCAS. Hier kannst du das Buch bei Amazon kaufen: https://amzn.to/2QOGw2B
Wenn du das Buch über diesen Link kaufst, bekomme ich eine kleine Provision. Für dich kostet das nichts extra. - COPE, Ibelgaufts H, http://www.cells-talk.com/ Cytokines & Cells Online Pathfinder Encyclopaedia, Version 50.9 (Spring 2020 Edition). Molekularbiologische Datenbank.
- Zienkiewicz T, Homann J, Mücke M, Seidel H, Hertfelder HJ, Weinstock LB, Afrin LB, Molderings GJ (2023). Evaluation of a tryptase depletion index for better pathologic identification of mast cell activation syndrome. Z Gastroenterol, 61(3), 268-274. doi:10.1055/a-1833-9226. Abstract hier verfügbar: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35576976/

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