Tipps für Freunde und Familie
Wie du bei MCAS helfen kannst
Unterstütze deine Liebsten, die an MCAS erkrankt sind
Erst einmal: Super, dass du hier bist!
Krank zu sein ist nie schön, und die Unterstützung von Angehörigen und Freunden ist in schweren Zeiten besonders wertvoll. Ich freue mich, dass du deiner betroffenen Frau, Freundin, Schwester, Tochter oder Mutter helfen willst. Warum Frauen? Die meisten Betroffenen des Mastzellaktivierungssyndroms (MCAS) sind weiblich!
Der Einfachheit halber beschränkt sich dieser Artikel auf den Begriff „Freundin“. Natürlich gelten alle diese Tipps genauso für Männer, Freunde, Brüder, Söhne und Väter.

Wie du bei MCAS helfen kannst
Auf dieser Seite liest du über die verschiedenen Wege, über die du als Angehörige/r oder Freund/in helfen kannst, eine schwierige Situation etwas besser zu machen.
Du kannst der Person mit MCAS, für die du diesen Artikel liest, auch absolut mitteilen, dass du dich hier schlau gemacht hast! Es ist für die allermeisten Menschen mit MCAS sehr schön zu wissen, dass ihre Lieben sich mit der Erkrankung befassen und dazulernen wollen. Allein das kann schon eine Entlastung sein.
Überhaupt ist es bei MCAS eine gute Idee, viel zu kommunizieren. MCAS ist eine Erkrankung, die sehr individuell ausfällt. Daher können Ratschläge von anderen Betroffenen nicht immer 1:1 auf deine Freundin umgesetzt werden. Daher ist es im Zweifelsfall sehr sinnvoll, deine Freundin nett zu fragen, ob und wie das Thema X oder Y für sie funktioniert.
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Informationen für Freunde & Familie
Wie lange dauert MCAS?
Wenn du dich fragst, wann deine Freundin wieder „gesund“ ist, alles wieder wie früher ist und die Unverträglichkeiten alle weg sind, dann werdet ihr beide darauf wahrscheinlich noch eine gute Weile warten müssen. Es gibt viele Wege, MCAS zu lindern und damit zu leben. Im Moment gibt es allerdings noch keine Heilung.
Vielleicht gibt es in der Zukunft die Möglichkeit, MCAS komplett zu heilen, und die Mastzellen wieder zu einem normalen Aktivitätsniveau zurückkehren zu lassen. Im stillen Kämmerlein und hinter den Kulissen wird daran geforscht, das möglich zu machen. Aktuell ist hier aber noch nichts spruchreif und es ist kein definitiver Zeithorizont bekannt.
Dass man (noch) nicht heilen kann, heißt aber noch lange nicht, dass man nichts tun kann. Viele Betroffene erleben starke Verbesserungen durch die Veränderung ihres Lebensstils. Das bedeutet vor allem Auslöser vermeiden, sehr gesund leben, Stress vermeiden… mehr Details dazu findest du unter Leben mit MCAS.
Das bedeutet, je nach bisherigem Lebensstil, eventuell einige Einschränkungen hinsichtlich gemeinsamer Abenteuer. Aber eine echte Freundschaft wirft sowas nicht um, oder?
Eine schöne Aussicht ist, dass oft wieder neue gemeinsame Unternehmungen möglich sind, sobald der Körper sich mit Hilfe des neuen, achtsameren und gesünderen Lebensstil etwas beruhigt hat.
Wenn du mehr über MCAS lernen willst, lies gerne den Artikel zum Basiswissen über MCAS.
Wie kann ich herausfinden, was meine Freundin mit MCAS verträgt?
MCAS ist oft nicht dauerhaft stabil. Das bedeutet, dass die Verträglichkeiten wechseln können. Zusätzlich zu langfristigen Schwankungen (in einem Jahr verträgt sie Hühnereier, im nächsten nicht, und umgekehrt) kann es auch tagtägliche oder saisonale Schwankungen geben. So sind viele Betroffene im Frühjahr, wenn besonders viele Pollen unterwegs sind, empfindlicher, und vertragen gegebenenfalls weniger von ihren üblichen Lebensmitteln.
Auch andere Einflussfaktoren wie z.B. Stress, die Ernährung in den vergangenen Tagen, Kontakt mit unverträglichen Reizen, schlechter Schlaf oder andere Sorgen führen dazu, dass die Belastbarkeit deiner Freundin von Tag zu Tag anders aussehen kann. Da hilft also nur eins: Fragen! Und: Sich darauf einstellen, dass die Hinweise eventuell SEHR detailliert sein können. Hin und wieder geht ein Produkt nur von einer bestimmten Firma, weil diese den unverträglichen Konservierungsstoff X oder den Farbstoff Y nicht einsetzt. Bitte halte dich dann an die Hinweise deiner Freundin, und probiere nicht einfach aus!
Unverträgliche Lebensmittel können bei einigen MCAS-Betroffenen einen anaphylaktischen Schock auslösen, der im schlimmsten Fall tödlich sein kann. Das betrifft zwar „nur“ einen kleineren Teil der MCAS-Patienten, ist aber ein Risiko, dass man nicht ausschließen kann, und daher auch nicht herausfordern sollte.
Wenn du nicht weißt, was deine Freundin verträgt: Frag sie!
Wie lassen sich gemeinsame Unternehmungen mit MCAS-Betroffenen gestalten?
Unternehmungen und Ausflüge mit deiner Freundin mit MCAS können schwierig sein, wenn du nicht weißt, was sie verträgt. Deine Freundin hat vermutlich nicht so richtig Spaß an etwas, das ihr Symptome verursacht. Dafür kann ihre Freude um so größer sein, wenn es etwas ist, was für sie gut funktioniert und außerdem zeigt, dass du dir die Mühe gemacht hast, ihre Besonderheit zu respektieren und zu berücksichtigen.
Die meisten MCAS-Betroffenen wissen, dass sie mit einigen Einschränkungen daherkommen, und sind manchmal sehr zurückhaltend damit, ihre Umwelt immer und immer wieder um Rücksicht zu bitten. Daher kann es für sie sehr erleichternd sein, wenn diese Rücksicht freiwillig und gern gegeben wird.
Gemeinsam essen gehen mit MCAS
Die Unverträglichkeiten, die bei MCAS vorkommen, können viele Formen annehmen. Lebensmittel sind ein großer Teil davon, und viele MCAS-Betroffene müssen im Voraus planen. Das betrifft Besuche in Restaurants und Kneipen, aber auch jede andere Situation, in der sie keinen exakten Überblick darüber haben, was genau sich in den angebotenen Speisen und Getränken befindet.
In Restaurants ist seit 2014 Pflicht, dass in der Speisekarte die 14 wichtigsten Allergene für alle Gerichte deklariert sind. Das ist schon eine große Hilfe, enthält aber für einige Menschen mit MCAS nicht alle Informationen, die sie benötigen.
Auch private Feiern und Picknicks können durchaus schwer zu navigieren sein. Was mag wohl in diesem Kartoffelsalat drin sein, der so appetitlich in der hübschen Schüssel auf dem Tisch steht? Nachfragen kann helfen, aber auch die sorgfältigste Köchin weiß nicht unbedingt, ob die verwendete Mayonnaise z.B. Milchbestandteile enthält.
Das ist tatsächlich kein abwegiges Beispiel, denn es ist ganz erstaunlich, wie viele Lebensmittel heutzutage Inhaltsstoffe enthalten, die man dort nicht erwarten würde. Es ist nicht so leicht, hier Abhilfe zu schaffen. Eine Möglichkeit ist, die Zutaten von selbst zubereiteten Gerichten zu kennen, denn Inhaltsstoffe eines bekannten Produkts können schnell im Internet nachgeschaut werden.
Bei einigen Picknicks wird inzwischen auch eine Liste der Inhaltsstoffe auf das Tischtuch aus Papier geschrieben. Das kommt noch nicht sehr häufig vor, ist aber sehr hilfreich – sowohl für Menschen mit MCAS als auch die zunehmende Anzahl von Menschen mit Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten. Nicht zuletzt hilft es natürlich, wenn sich die Betroffenen einfach selbst etwas mitbringen können.
Lange Rede, kurzer Sinn: bei Ausflügen mit deiner MCAS-betroffenen Freundin ist zu bedenken, dass bei Hunger unter Umständen nicht einfach der nächste Kiosk oder Fast-Food-Laden angesteuert werden kann. Das ist ganz stark abhängig von der Krankheitsausprägung und der Tagesform deiner Freundin, und muss beachtet werden. Ganz nebenbei: Auch Menschen mit einem stark eingeschränkten Ernährungsplan haben immer noch Vorlieben beim Essen, und essen am liebsten Dinge, die sie auch appetitlich finden. Das freut sie dann in der Regel besonders: Nicht nur verträglich, sondern auch lecker!
Neben Lebensmitteln können auch Situationen unverträglich sein
Weitere Unverträglichkeiten
Neben Lebensmitteln können auch Situationen unverträglich sein. MCAS-Betroffene haben mitunter Probleme mit Reiseübelkeit, wenn sie einen hohen Histaminspiegel haben. Reiseübelkeit hängt übrigens auch bei Personen, die kein MCAS haben, mit Histamin zusammen. Falls dir öfter übel wird bei Autofahren und Co., könnte dir ein Blick in das Thema Histamin ebenfalls helfen.
Falls deine Freundin von Reiseübelkeit betroffen ist, und aufgrund dessen lange Autofahrten, Busfahrten oder Achterbahnen und andere Fahrgeschäfte meidet, bietet es sich an, das zu berücksichtigen.
Nicht zuletzt können auch Duftstoffe starke Auslöser von MCAS-Symptomen sein, falls deine Freundin darauf reagiert. Achte also darauf, dass du bei Treffen mit deiner Freundin nicht dick Parfüm aufträgst und denke daran, dass Duftstoffe auch in vielen anderen Produkten, wie Waschmittel, Weichspüler, Cremes und Duschgel stecken können. Frage einfach nach, ob das für deine Freundin okay ist oder ob dein Duft ihr Schwierigkeiten bereitet.
MCAS ist sehr individuell, daher gelten diese Einschränkungen nicht für alle Betroffene
Einschränkungen sind sehr individuell
Diese Einschränkungen gelten natürlich nicht für alle MCAS-Betroffene. Sie können teilweise gelten, nur in gewissen Intensitäten oder im Zusammenspiel mit anderen Faktoren, oder auch gar nicht. Es gibt insgesamt sehr viele Faktoren und Reize, die für MCAS-Betroffene wichtig sind – viel zu viele, um diese hier alle aufzulisten. Aufgrund dieser starken individuellen Ausprägung der Erkrankung hilft nur eins: FRAGEN.
Überraschungen planen bei MCAS
Falls du deine Freundin mit etwas überraschen möchtest, kann vorheriges Nachfragen zugegebenermaßen die Überraschung etwas schmälern. Aber viele MCAS-Betroffene haben lieber ein bisschen weniger Überraschung, und dafür das sichere Gefühl, dass sie sich nicht in Gefahr begeben. Übrigens, auch hier kannst du fragen, ob deine Freundin sich lieber überraschen lassen will, oder mehr über das geplante Event wissen will. Übliche Aussagen wie: „Es gibt keine geplanten Junggesellinnenabschiede, das ist immer eine Überraschung!“ sind hier definitiv fehl am Platz – die einzige Ausnahme ist, wenn deine Freundin das ausdrücklich so haben will.
Fazit zu gemeinsamen Unternehmungen
Zusammenfassend kann man sagen, dass MCAS-Betroffene an einigen Aktivitäten aus verschiedenen Gründen nicht so leicht teilnehmen können. Daher finden sie es oft sehr schön, auch mal voll dabei zu sein. Einige Events können dies ohne Änderung bieten, und bei anderen müssen nur kleine Stellschrauben verändert werden, damit deine Freundin mit MCAS es trotzdem voll genießen kann.
Da hilft nur eins: Fragen!
Die erste Möglichkeit, das zu erreichen, ist natürlich zu fragen, was alles möglich ist. Das erhöht die Chance eines gelungenen gemeinsamen Abenteuers enorm! Und das ist ja das wirklich Wichtige.
Eine weitere Möglichkeit ist, eine Auswahl zu geben. Statt einem spezifischen Gutschein für eine Achterbahnfahrt vielleicht etwas Verträglicheres, z.B. Indoor-Golf? Es sei denn, deine Freundin liebt Achterbahnfahrten und macht diese regelmäßig. Wie schon gesagt, jede/r Betroffene ist anders!
Besonders die eher milde betroffenen Fälle haben die hier genannten Einschränkungen mitunter gar nicht. Es kann sich dennoch lohnen, deine Freundin mal zu fragen, was sie verträgt und was nicht. Wie bereits erwähnt, scheuen sich Betroffene oft davor, immer und immer und immer wieder nach Rücksicht zu fragen, oder überhaupt ihre (für andere oft schwer nachvollziehbaren) Beschwerden offenzulegen. Daher schweigen sie oft lieber, und „halten durch“, obwohl es ihnen dabei nicht gut geht. Frag also einfach mal ganz offen und freundlich – du wirst eventuell überrascht sein!
Ist MCAS eine unsichtbare Behinderung?
MCAS kann das Leben ganz schön einschränken. Vielleicht findest du es schwer, darüber nachzudenken. Es ist in der Tat nicht einfach, sich mit diesem Gedanken anzufreunden, das geht auch den Betroffenen so!
Diese Situation wird oft noch dadurch verschärft, dass MCAS-Erkrankte nicht unbedingt „krank“ aussehen. Sie sehen sogar manchmal außerordentlich gesund aus, und dann fällt es vielen Leuten schwer, die Einschränkungen und Symptome nachvollziehen zu können, von denen sie berichten. Die Behinderung durch MCAS ist in vielen Fällen also „unsichtbar“. Sie hören oft „Aber du siehst doch gar nicht krank aus!“ Wie soll man auf so etwas reagieren?
MCAS-Betroffene sehen oft nicht krank aus, sind es aber
Es kommt auch oft vor, dass sich die Betroffenen mit ihren Einschränkungen gut arrangiert haben und sich weitgehend normal fühlen. Erst etwas Unvorhergesehenes lässt sie dann spüren, dass sie es nicht sind, und dass sie nicht spontan an allen Abenteuern des Lebens teilnehmen können wie gesunde Menschen es tun. Es fällt Betroffenen auch hin und wieder schwer, die Frage zu beantworten „Und was passiert dann, wenn du das isst/trinkst/machst?“.
Manchmal sind die Antworten einfach und konkret, manchmal aber auch sehr unspezifisch. Solche unspezifischen Symptome sind typisch für MCAS. Auch „merkwürdige“, „ungewöhnliche“ oder sogar „bizarre“ Beschwerden kommen oft vor. Diese Beschreibungen finden sich oft in den Krankenakten der Betroffenen aus der Zeit vor der MCAS-Diagnose. Eine volle Aufstellung der Symptome, die bei MCAS auftreten können, findest du in meinem Artikel mit dem Basiswissen zu MCAS.
Es kommt also erschwerend hinzu, dass die beschriebenen Symptome auf Menschen, die sich nicht mit MCAS auskennen, manchmal wenig nachvollziehbar oder gerade zu „wie ausgedacht“ wirken. Solche Gedanken sind aus gesellschaftlicher Sicht zwar theoretisch nachvollziehbar, aber absolut nicht hilfreich.
Ganz im Gegenteil: Wenn sich deine Freundin in ihrer sehr realen und sehr komplexen Krankheit, für die aktuell ohnehin nicht ausreichend Unterstützung zur Verfügung steht, zusätzlich nicht ernstgenommen fühlt oder sich sogar Vorwürfen der Einbildung konfrontiert sieht, dann wird sie nicht weiter Vertrauen fassen, sondern sich enttäuscht zurückziehen.
Zudem können solche Auseinandersetzungen erhebliche Krafträuber sein. Wie bei vielen chronischen Erkrankungen ist es auch bei MCAS mitunter so, dass die Kräfte eingeteilt werden müssen. Das trifft umso mehr zu, wenn chronische Erschöpfung Teil des Beschwerdebildes ist.
Ein schönes Sinnbild ist hier die „Löffeltheorie“. Die Urheberin ist die Bloggerin Christine Miserando, die mit Lupus und Fibromyalgie ebenfalls an unsichtbaren Behinderungen leidet. Die Theorie dreht sich im Wesentlichen darum, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und unsichtbaren Behinderungen weniger Energie für ihren Alltag zur Verfügung haben als Gesunde. Die Energie wird hier durch Löffel repräsentiert.
Ein gesunder Mensch hat unendlich viele Löffel für den Alltag zur Verfügung. Ein chronisch kranker Mensch hat vielleicht 20 Löffel, oder 12 oder nur 5. Die Anzahl der verfügbaren Löffel kann sich auch spontan durch ein ungünstiges Ereignis ändern, und außerdem von Tag zu Tag anders sein. Das macht das Planen mit einer chronischen Erkrankung mitunter schwierig. Jede Aufgabe und Aktivität des Tages kostet Löffel. Mit 20 Löffeln kommt man natürlich weiter als mit 5 Löffeln, aber in beiden Fällen ist die Anzahl limitiert.
Eine chronische Krankheit kennt keinen Sonn- und Feiertag. Sie ist immer da
Das verdeutlicht, dass Betroffene immer mit ihrer Erkrankung und ihren Einschränkungen planen müssen, jede Minute, jede Stunde, an jedem Tag. Und diesen Einschränkungen ist völlig egal, ob eine wichtige Präsentation auf der Arbeit ansteht, das Kind Geburtstag hat, die Mutter gepflegt werden muss, oder ob man heute wirklich absolut keine Lust auf Einschränkungen hat. Krankheit kennt keine Pause, kein „hab‘ heute keine Lust“ und keinen Sonntag. Sie ist immer da.
Viele chronisch kranke Menschen freuen sich demnach, wenn die Leute in ihrem Umfeld erkennen, dass die Erkrankung dauerhaft Kapazitäten belegt – sowohl durch die Symptome selbst als auch durch die Planung, die das Leben mit einer chronischen Krankheit erfordert.
Stellen sich Betroffene nur an?
Grundsätzlich: Nein.
Mastzellaktivierung ist ein wissenschaftlich und klinisch anerkanntes Phänomen, und MCAS ist eine Erkrankung, die große Einschnitte in der Lebensqualität mit sich bringt. Wenn deine Freundin also sagt, das geht nicht, dann ist das wahrscheinlich so.
Oder wenn deine Freundin plötzlich, ohne für dich erkennbaren Auslöser, sagt, es geht ihr nicht gut und sie muss sich ausruhen oder nach Hause gehen oder zum Arzt, dann ist das so und du solltest sie zu nichts zwingen oder überreden (und sie im Zweifelsfall zum Arzt bringen, wenn sie das möchte). Die meisten Menschen mit MCAS haben gelernt, sich, ihre Erkrankung und ihren Körper gut einzuschätzen.
Jedoch bleibt MCAS eine Krankheit mit einem gewissen unberechenbaren Anteil – bei einigen mehr, bei anderen weniger. Und das macht Angst. Es kann also manchmal sein, dass deine Freundin Angst hat vor einer unerwünschten Reaktion ihres Körpers, und daher auf etwas verzichtet. Das ist in vielen Fällen eine schlaue Strategie, denn man weiß nie, was passieren kann. Insofern solltest du deiner Freundin vertrauen und auf sie hören. Nur deine Freundin weiß, was gerade in ihrem Körper vorgeht, und wie es sich anfühlt.
Mastzellaktivierung ist ein wissenschaftlich und klinisch nachgewiesenes Phänomen, und MCAS ist eine nachweisbare Erkrankung
Menschen mit MCAS sehen oft „gesund aus“ und fühlen sich trotzdem elend. Für Nicht-Betroffene ist das oft schwer nachvollziehbar, da die Symptome von MCAS auch Prozesse im Körper betreffen können, deren reibungsloses Funktionieren Gesunde für selbstverständlich halten. Sie können sich oft nicht vorstellen, dass diese Dinge einfach nicht rund laufen – und wollen oft auch gar nicht so genau darüber nachdenken. Das ist auch verständlich, sollte aber nicht zu weniger Verständnis und Rücksichtnahme gegenüber den Menschen führen, die an MCAS und diesen auch für sie mitunter unheimlichen Symptomen leiden.
Und über Leute, die „im Geheimen testen“ wollen, ob ihre Freundin mit MCAS tatsächlich auf X oder Y reagiert, also ihr etwas Unverträgliches ins Essen mischen: Das ist so ein abgrundtief grässliches und falsches Verhalten! Das kann nur eine „urban legend“ sein, und keiner ist wirklich so fies, oder?
Ist MCAS nur Einbildung oder eine echte Erkrankung?
MCAS ist keine Einbildung
MCAS ist vieles, aber es ist nicht eingebildet. MCAS ist eine Ganzkörper-Erkrankung, in der „seltsame“ und „bizarre“ Symptome zur typischen Beschreibung gehören.
MCAS ist überaus komplex und gehorcht manchmal den bekannten „Regeln“ für Körper und Krankheiten nur wenig. Daher macht es manchmal für Laien den Eindruck, als könne das alles gar nicht sein, und als müsse der Betroffene sich das alles auf die ein oder andere Weise ausdenken. Das ist allerdings nicht so! Auch die ungewöhnlichen und seltsam erscheinenden Symptome können durch die Mastzellen erklärt werden.
Eine detaillierte Liste möglicher Symptome und Denkansätze, um die Verschiedenheit der Symptome bei den unterschiedlichen MCAS-Patienten näherungsweise zu erklären, findest du in meinem Artikel zum Basiswissen über MCAS.
Leider schützt eine Mastzellerkrankung nicht davor, auch noch andere Erkrankungen zu haben. Für einige Erkrankungen gilt sogar das Gegenteil, da sie einen gewissen Zusammenhang mit MCAS aufweisen. Das gilt besonders für allergische und/oder entzündliche Erkrankungen. Allerdings reagieren diese Fälle oft besser auf Therapien, wenn auch die Mastzellen mitbehandelt werden. Die Mastzellen sind also nicht nur eine Komplikation, sondern auch ein Schlüssel zu einer Behandlung, die hilft.
Warum ist MCAS so individuell?
Hin und wieder kann MCAS wirklich verwirrend sein. Anders als bei Allergien, wie z.B. Pollenallergie, Heuschnupfen, Erdnussallergie, oder Unverträglichkeiten, wie z.B. Laktose- oder Fruktoseintoleranz, sind die Beschwerden bei MCAS oft wechselhaft. Außerdem können die Symptome bei verschiedenen Betroffenen ganz verschieden ausfallen. Das liegt daran, dass es bei MCAS nicht die Symptome sind, die alle ungefähr gleich erleben, sondern dass es der Mechanismus ist, der bei allen gestört ist: Die Mastzellen.
Die Beschwerden sind bei MCAS oft wechselhaft
Und da die Mastzellen viele Möglichkeiten haben, den Körper zu beeinflussen, gibt es eben auch sehr viele Ausprägungen von MCAS. Es ist also nicht möglich, hinsichtlich Krankheitsverlauf, Verträglichkeiten und Unverträglichkeiten, Symptomen oder hilfreichen Medikamenten von einer Betroffenen auf jede andere zu schließen.
Es gibt gewisse Wahrscheinlichkeiten, und es gibt Richtlinien, aber im Allgemeinen ist MCAS eine sehr individuelle Erkrankung. Wenn du wissen möchtest, wie die Wissenschaft versucht, dies annähernd zu erklären, lies hier über die Netzwerktheorie.
Was wünschen sich MCAS-Betroffene von Familie und Freunden?
Für diesen Teil des Artikels habe ich Betroffene befragt, was sie sich von ihren Nächsten am meisten wünschen, und an welchen Stellen sie sich besonders wünschen, dass andere mehr Verständnis zeigen.
Beim Lesen ist es wichtig zu beachten, dass die Antworten von vielen Betroffenen stammen, die ganz unterschiedlich stark an MCAS leiden, die ganz individuelle Symptome haben und ganz verschiedene Erfahrungen mit ihrer Krankheit und ihrer Umgebung gemacht haben. Während Betroffene mit milderen Symptomen oft weniger Probleme haben werden, erleben Menschen mit stark ausgeprägter Erkrankung sicherlich mehr und intensivere Einschränkungen und Unverständnis in ihrer Umwelt.
Es ziehen sich bestimmte Grundthemen wie ein roter Faden durch diese Wünsche.
Vor allem wünschen sich die Betroffenen,
- dass ihnen geglaubt wird, und
- dass man sie akzeptiert wie sie sind.
Hier sind ihre Antworten auf die Frage „Was wünscht ihr euch von eurer Umwelt?“:
Dass die wechselnden Symptome akzeptiert und verstanden werden. „Ja, das ist jetzt aber was Anderes. Ständig hast du etwas Neues“ ist kein aufbauender Satz.
Dass auch scheinbar unzusammenhängende Symptome einen gemeinsamen, zugrunde liegenden Mechanismus haben, nämlich die dysfunktionalen Mastzellen. „Was haben denn Kopfschmerzen mit einem Hautausschlag zu tun?“ Und dazu ein zweifelnder Blick.
Dass akzeptiert wird, dass jemand sich schlecht fühlen kann, auch wenn sie gut aussieht. Der Satz „Du siehst aber gut aus“, hilft in dieser Situation, wenn die Betroffene bereits geschildert hat, dass es ihr schlecht geht, kein Stück weiter. Eine Betroffene schilderte dieses Gespräch: „Wow, Du hast ja toll abgenommen.“ -„Ich bin krank.“ „Ja, aber sieht doch super aus.“
Dass es nicht leicht ist, seine eigenen Trigger und Auslöser herauszufinden. Manchmal geht es Betroffenen schlecht, und sie wissen nicht, warum. Manchmal kann dies auch von einer Minute auf die andere kommen.
Dass es nicht hilft, zu hören „Das verwächst sich wieder.“ MCAS ist eine Erkrankung, die sich ändert, das ist wahr. MCAS hört aber nicht einfach von alleine auf. Ohne Behandlung ist MCAS bestenfalls gleichbleibend, aber oft auch fortschreitend. Mit der richtigen Behandlung finden jedoch viele Betroffene eine deutliche, dauerhafte Besserung.
Dass es nicht immer einfach ist, zu verzichten. Ein eisernes Durchhalten im Verzicht wird in der Regel von dem Wissen um sehr unangenehme, oder sogar gefährliche Konsequenzen aufrechterhalten. Es ist zumeist keine freiwillige Entscheidung, zu verzichten, wie etwa bei einer Diät, oder Veganismus aus ideologischen Gründen. Und dieser unfreiwillige Verzicht kann manchmal sehr schwer fallen. Besonders bei Anlässen, die stark mit gemeinsamem Essen zusammenhängen. So berichtete eine andere Betroffene, sie habe kürzlich beim halbjährlichen Bürofrühstück vor dem gedeckten Tisch gesessen und so gut wie nichts angerührt, weil sie das meiste nicht verträgt. Eine Kollegin sagte daraufhin: „Ich wünschte, ich würde das alles nicht vertragen! Ich kann die Hände einfach nicht von der Schokolade lassen!“ Es gibt vielleicht einige Menschen, denen so ein Gedanke durch die Hirnwindungen flitzt – aber man muss ihn dann ja nicht unbedingt auch laut aussprechen.
Dass die Symptome absurd erscheinen können, aber dadurch nicht weniger gefährlich oder beängstigend sind.
Dass es einer gewissen Anstrengung bedarf, als chronisch kranker Mensch seinen Alltag bestmöglich zu bestreiten. Viele Betroffene versuchen obendrein, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. In diese Bemühungen fließt noch ein bisschen Extra-Energie – dabei geht ohnehin schon Energie dabei verloren, den Tag um die persönlichen Schwierigkeiten und Einschränkungen herum zu planen. Chronisch Kranke erleben dies jeden. einzelnen. Tag.
Dass der Weg, die richtige Behandlung zu finden, nicht einfach ist. Dieser Weg verlangt viel Trial-and-Error, Geduld, Disziplin und Hartnäckigkeit. Vieles müssen die Betroffenen selbst erarbeiten, da es im Moment nur sehr wenige Ärzte gibt, die sich mit MCAS auskennen. Darüber hinaus ist MCAS eine extrem komplexe Erkrankung, daher reicht ein Arztkontakt von normaler Länge noch nicht einmal für die absoluten Basics aus.
Dass MCAS keine Anstellerei oder Modeerscheinung ist, sondern eine ernstzunehmende und anerkannte Erkrankung.
Dass es schwierig ist, diese komplexe Erkrankung in einfachen Worten zu erklären, ohne die Hälfte wegzulassen oder es sehr lang und kompliziert zu machen.
Dass traditionell psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depression auch von dysfunktionalen Mastzellen verursacht werden können.
Dass an einigen Tagen viel geht, und an anderen wenig oder sogar gar nichts. Manchmal wissen die Betroffenen, warum das so ist, manchmal aber auch nicht.
Dass MCAS nicht wie ein Schnupfen ist, der einfach irgendwann vorbei ist, und dann wieder alles normal ist.
Dass einige auch nicht „ein kleines Bisschen“ von etwas Unverträglichem probieren können.
Dass Symptome sowohl sofort auftreten können, als auch bis zu einige Tage später. Das macht es mitunter schwer, selbst für die Betroffenen, die mal über die Stränge schlagen können, solche kleinen „Sünden“ einzuplanen. Und mit „über die Stränge schlagen“ ist nicht unbedingt „3 Tage wach“ gemeint, sondern mal ein Stück Vollmilchschokolade, oder ein alkoholfreies Bier.
Dass einige Verschlechterungen dauerhaft sein können.
Dass einige Betroffene schon reagieren müssen, wenn sie kleine Anzeichen bemerken. Obwohl sie fit aussehen, müssen sie sich zurücknehmen und eventuell hinlegen, und/oder Medikamente nehmen. Tun sie dies nicht, so hat die Erfahrung in der Vergangenheit gezeigt, dass sich das über Stunden, Tage oder sogar Wochen rächen kann.
Dass Freunde und Familie auch Rücksicht nehmen, gerade, was das Thema Duftstoffe und Chemikalien angeht.
Dass Rücksicht hinsichtlich Infektionen genommen wird. Einige Menschen mit MCAS haben große Probleme, mit Infekten umzugehen. Diese können schwerer und länger verlaufen, und bei einigen Erkrankungen (Covid-19 eingeschlossen) eine Verschlechterung der Grunderkrankung MCAS hervorrufen.
Eine kurze Einordnung zum letzten Punkt: Es leiden einige, aber nicht alle Menschen mit MCAS an einer Immunschwäche oder einer Neigung dazu, „alle Infektionen mitzunehmen“. Es weisen jedoch alle Menschen mit MCAS eine gewisse Schieflage des Immunsystems auf. Das liegt daran, dass die Mastzellen, die bei MCAS den zugrundeliegenden, nicht richtig funktionierenden Mechanismus darstellen, ein wichtiger Teil des Immunsystems sind. Tatsächlich eskaliert MCAS allerdings häufig im Zusammenhang mit Infektionen. Das gilt besonders für deutlichere Erkrankungen wie Covid, die Grippe oder Pfeiffersches Drüsenfieber, aber auch viele andere. Daher ist ein guter Infektionsschutz für alle Menschen sinnvoll – besonders aber für die mit MCAS.
Es ist demnach generell nicht ratsam, diese bei MCAS instabile Situation des Immunsystems achtlos mit Infektionskrankheiten zu belasten. Es ist ein Mythos, dass das Immunsystem „Training“ durch Erkrankungen benötigt.
Zudem ist der individuelle Immunstatus von außen nicht zu erkennen und ist den Betroffenen noch nicht einmal unbedingt bewusst. Ein „sie sieht doch aber gesund aus“ ist bei MCAS keine sinnvolle Informationsgrundlage, wie wir in diesem Artikel bereits festgestellt haben.
MCAS und das soziale Umfeld – eine Zusammenfassung
Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine sehr komplexe und schwierige Erkrankung, die das Leben der Betroffenen mitunter stark einschränken kann. Da ist die Hilfe von Familie und Freunden ein sehr wichtiger Teil der Lebensqualität!
Leider ist MCAS aktuell nicht heilbar, aber es gibt viele Wege, es zu lindern und damit zu leben. Dabei können die Lieben besonders gut helfen, z.B. bei der Berücksichtigung von den Besonderheiten und Unverträglichkeiten der betroffenen Person bei der Planung von gemeinsamen Unternehmungen.
MCAS ist eine unsichtbare Behinderung. Die Betroffenen sehen oft nicht krank aus, sind es aber.
Zusätzlich zu ihrem Leiden an der Krankheit müssen sie sich demnach oft verteidigen. Andere Menschen unterstellen ihnen, dass sie sich nur anstellen, oder werfen ihnen sogar vor, dass sie sich ihre Erkrankung nur einbilden. Beides ist absolut falsch und fügt den Betroffenen nur weiteres Leid zu. Mastzellaktivierung ist ein wissenschaftlich und klinisch nachgewiesenes Phänomen, und MCAS eine nachweisbare Erkrankung. Durch die relativ kurze Zeit, die MCAS erst bekannt ist, hat sich dieses Wissen nur noch nicht in allen Ecken herumgesprochen.
Dass MCAS erst vor Kurzem entdeckt wurde und sich so lange „verstecken“ konnte, liegt wesentlich daran, dass es sehr individuell ist. Die Betroffenen erleben ganz unterschiedliche Symptome – sowohl zwischen verschiedenen Betroffenen, als auch innerhalb derselben Person im Wechsel. Das liegt daran, dass die Mastzellen so viele Funktionen und Fähigkeiten besitzen. Sie kommen überall im Körper vor und können an sehr vielen Stellschrauben drehen. Wenn sie nicht mehr richtig funktionieren, können daher viele Prozesse beeinträchtigt sein. So entstehen dann vielfältige mögliche Symptomausprägungen ohne ein sicheres „Leitsymptom“. Der Verlauf der Erkrankung ist jedoch oft typisch, sodass MCAS dennoch mit etwas Erfahrung leicht zu erkennen ist.
MCAS-Betroffene wünschen sich von ihrer Familie, ihren Freunden, Bekannten und Kollegen vor allem, dass ihre Einschränkungen respektiert und akzeptiert werden. Dass sie nicht überall um Anerkennung kämpfen müssen, und dass ihre Schwierigkeiten nicht jedes Mal in Zweifel gezogen und hinterfragt werden. Eigentlich ganz nachvollziehbare Wünsche, oder?
Fazit
Fassen wir es noch einmal ganz kurz zusammen:
- MCAS ist real und ernst zu nehmen.
- Betroffene haben sehr individuelle Symptome und Einschränkungen.
- Rücksichtnahme und Akzeptanz helfen enorm.
Wenn du mehr über MCAS wissen möchtest, lies den Artikel zum Basiswissen über MCAS. Wenn du wissen möchtest, wie Betroffene besser mit MCAS umgehen können, lies Leben mit MCAS.
Wenn du einen medizinischen Beruf ausübst und Fachinformationen zu MCAS suchst, schau gerne auch in die Fachinformationen. Als Ärztin, Physiotherapeut, Psychotherapeut oder weitere Heilberuflerin hast du vielleicht auch Interesse, unserem Fachnetz MCAS beizutreten und mitzuhelfen, die Versorgung für Menschen mit MCAS zu verbessern?

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