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MCAS und COVID-19: Die wichtigsten Fragen – Teil 1

Aktualisiert: 27. Juli 2020

Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 bewegt uns und die ganze Welt nun schon seit Monaten. Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen, darunter auch MCAS, fragen sich zunehmend, wie gefährdet sie hinsichtlich COVID-19 sind. Einige dieser Fragen wird diese Blogreihe zu Mastzellen, MCAS und COVID-19 beleuchten, die mit diesem Post startet.


Die wesentlichen Fragen sind:

  • Haben Mastzellen etwas mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Krankheit COVID-19 zu tun?

  • Sind Menschen mit Mastzellerkrankungen wie MCAS oder Mastozytose stärker gefährdet? Diese Frage zielt sowohl auf eine eventuelle höhere Ansteckungsgefahr mit dem SARS-CoV-2 als auch auf eine mögliche erhöhte Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs von COVID-19.

  • Kann sich MCAS durch COVID-19 verschlimmern?

  • Was können Betroffene nun tun?

  • Was wird hinsichtlich einer Impfung empfohlen?


Dieser erste Teil wird sich mit der ersten dieser Fragen beschäftigen. Die weiteren Teile folgen demnächst. Folge Mastzellenhilfe auf Facebook, Instagram oder Twitter, um sofort zu erfahren, wann die Posts online sind!




Haben Mastzellen etwas mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Krankheit COVID-19 zu tun?

Was ist die Coronaviruskrankheit COVID-19 (COrona VIrus Disease)?

COVID-19 ist eine Viruserkrankung, die durch das SARS-CoV-2 hervorgerufen wird, welches zu den Coronaviren zählt. Es ist wichtig, zwischen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Erkrankung COVID-19 zu unterscheiden, da eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 nicht unbedingt zu COVID-19 führen muss. Aus den Medien ist bekannt, dass die Infektion mit dem neuen Coronavirus in vielen Fällen auch asymptomatisch, also gänzlich ohne Symptome, verlaufen kann. Es wird geschätzt, dass etwa 5-46% SARS-CoV-2-positive Patienten keine Symptome von COVID-19 ausbilden. Daher ist eine Infektion mit SARS-CoV-2 zwar notwendig, aber nicht ausreichend für die Entwicklung von COVID-19.


Im Verlauf von COVID-19 sind drei Phasen zu erkennen (9).

  • Phase 1: Infektion und Etablierung der Erkrankung, Virusvervielfältigung verursacht milde Atemwegssymptome, unspezifische Symptome (Krankheitsgefühl, Fieber, trockener Husten).

Selbst bei den Infizierten, die das klinische Bild von COVID-19 zeigen, erleben die meisten einen solchen milden Verlauf, wie er hier in Phase 1 beschrieben ist. Insgesamt zeigen über 80% der Patienten mit SARS-CoV-2 eine solche milde Form. Diese Phasen 2 und 3 entsprechen einer ansteigenden Schwere von COVID-19.

  • Phase 2: Die weitere virale Vervielfältigung verursacht lokale und ansteigende Entzündung der Lunge, die Patienten entwickeln eine virale Lungenentzündung, Husten, Fieber und Kurzatmigkeit, mit oder ohne Sauerstoffmangel.

  • Phase 3: Diese dritte Phase ist lebensgefährlich. Eine überschießende Entzündungsreaktion spielt die zentrale Rolle in der Weiterentwicklung der Erkrankung zu einer schweren Lungenentzündung und einem Lungenversagen. Weitere Komplikationen wie Gerinnungsstörungen sind ebenfalls bekannt.

Unter den Patienten, die Symptome bemerken, entwickeln etwa 13-20% schwere Symptome, inklusive Notwendigkeit der Beatmung etc. (6, 12). Von den COVID-Patienten, bei denen die Erkrankung so schwer ist, dass sie in ein Krankenhaus müssen, entwickeln etwa 20-42% ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS), welches die häufigste Ursache für die Einlieferung auf die Intensivstation darstellt. Von den COVID-19-Patienten auf der Intensivstation versterben etwa 39-72% (6).


Eine zentrale Frage dabei ist: Warum erkranken einige Menschen gar nicht oder kaum, und andere schwer? Und warum sterben einige der schwer erkrankten, und andere nicht?

Diese Zahlen zeigen, dass COVID-19 eine ernstzunehmende Erkrankung ist, die zusätzlich zu den erwarteten Symptomen in den Atemwegen auch weitere, überraschende Symptome aufweist, die andere Organe und Prozesse betreffen, wie z.B. die Nieren, das Gehirn oder die Blutgerinnung. Es wird durch die vielen symptomfreien oder milden Fälle aber auch deutlich, dass eine Erkrankung an COVID-19 nicht gleichzusetzen ist mit einem schweren Verlauf (3, 12). Dabei sind es vor allem die schweren Verläufe der Erkrankung, die den behandelnden Medizinern Kopfzerbrechen bereiten. Eine zentrale Frage dabei ist: Warum erkranken einige Menschen gar nicht oder kaum, und andere schwer? Und warum sterben einige der schwer erkrankten, und andere nicht? Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, wie z.B. gewisse Vorerkrankungen und ein höheres Alter, es ist jedoch aktuell nicht klar vorhersagbar, welcher Patient einen schweren Verlauf entwickeln wird (3). Es ist also sehr wichtig, herauszufinden, welche Prozesse das Fortschreiten von COVID-19 von der Phase 1 in die Phasen 2 und 3 auslösen, und mit welchen Wegen diese Weiterentwicklung aufgehalten werden kann. Hierbei sehen einige Wissenschaftler und Ärzte eine tragende Rolle bei den Mastzellen. Dies wird in den folgenden Abschnitten näher beleuchtet.


Zusammenfassend: Nicht alle Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 entwickeln sich weiter zu COVID-19, und die meisten COVID-19-Fälle sind mild. Eine Minderheit von Patienten erlebt jedoch schwere oder sogar tödliche Verläufe. Woran könnte das liegen?




Haben Mastzellen etwas mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Krankheit COVID-19 zu tun?

Obwohl noch kein komplett heilender oder vorbeugender Durchbruch erreicht wurde, hat sich schon einiges getan in Hinsicht auf neue Erkenntnisse und Möglichkeiten, dem Virus etwas zu entgegnen. Auch die Mastzellen, die den zentralen Mechanismus im Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) darstellen, sind in einigen Publikationen in den Fokus der Forscher gerückt.


Mastzellen sind sowohl in der Abwehr von Viren als auch in der Entstehung von Entzündung involviert

Die Mastzellen speziell anzuschauen, hat mehrere sinnvolle Gründe. Zum einen sind sie als erste Verteidigungslinie des Körpers involviert in der Abwehr von Viren (1), wie z.B. dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2. Ebenso spielen sie eine wichtige Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung der Entzündungsreaktion (1, 9). Mastzellen lösen über Zytokine Entzündung aus. Das ist an sich gut – eine kurzfristige, akute Entzündungsreaktion hilft dem Körper bei der Heilung. Entzündung ist aber nicht mehr gut, sobald sie entweder langfristig und chronisch vorhanden ist, dann kann sie die Basis von chronischen Erkrankungen sein, oder extrem und überschießend, dann kann sie tödlich sein. Bei schweren Verläufen von COVID-19 spielt diese schwere, unkontrollierte Entzündung eine wichtige Rolle. Diese geht bei COVID-19 einher mit sogenannten Zytokinstürmen. Ein Zytokinsturm stellt eine potenziell tödliche, systemische, überschießende Entzündungsreaktion dar (3), die auch als „Hyperinflammation“ bezeichnet wird (9). Auch bei COVID-19 scheint die extreme Entzündungsreaktion des Körpers häufiger die Todesursache zu sein als das auslösende Virus selbst. Mastzellen sind an der körpereigenen Entzündungsreaktion beteiligt, und auch an den Zytokinstürmen (5).


Mastzellen werden als primäre Quelle für Zytokine gesehen

Mastzellen sind eine wesentliche Quelle von Zytokinen (4, 5, 8, 11), vielleicht sogar die primäre Quelle (8). Zytokine haben sich im Verlauf schwerer COVID-19-Erkrankungen als Schlüsselfiguren gezeigt. Durch eine unangemessene Mastzellaktivierung, wie sie z.B. durch das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) oder eine Mastozytose vorliegen kann, können auch Zytokine vermehrt und unangemessen freigesetzt werden. Dies kann möglicherweise ein Auslöser für die überschießende Entzündungsreaktion sein, die der Körper ohne externe Hilfe (und manchmal sogar trotz externer Hilfe) nicht alleine kontrollieren und herunterfahren kann, und welche bei COVID-19 die Hauptursache für den Tod der Betroffenen mit schweren Verläufen darzustellen scheint (3). Daher erscheint es sinnvoll, sich hinsichtlich COVID-19 mit dem Thema Mastzellen auseinanderzusetzen.


Mastzellen werden durch Viren aktiviert

Es ist bekannt, dass Mastzellen durch Viren aktiviert werden können (3, 11). Es wird angenommen, dass dies auch für SARS-CoV-2 gilt (4). Aktivierte Mastzellen können eine Reihe an Zytokinen wie IL-1, IL-6, IL-8 und TNF-α freisetzen, welche die Entzündung anheizen könnten (3, 4). Die Aktivierung der Mastzellen muss zunächst gar nicht dysfunktional sein – denn auch bei Gesunden werden die Mastzellen durch Krankheitserreger aktiviert, das ist die ganz normale Aufgabe der Mastzellen. Sie sorgen dann in Zusammenarbeit mit anderen Zellen des Immunsystems dafür, dass der Keim besiegt wird. Ein Problem entsteht allerdings, wenn die Mastzellen sich nicht wieder beruhigen, oder wenn sie dauerhaft und/oder unangemessen aktiviert sind, so wie es bei Patienten mit Mastzellaktivierung der Fall ist.



Mastzellen spielen bei COVID-19 möglicherweise eine Doppelrolle

Insofern scheinen die Mastzellen bei COVID-19 eine Doppelrolle zu spielen: Sie schützen den Körper vor Infektionen, produzieren aber auch entzündungsfördernde Stoffe, die dem Körper schaden können (3, 5, 12).

  • In der Frühphase der SARS-CoV-2-Infektion könnten Mastzellen vor allem hilfreich sein: Eine Coronavirusinfektion wird hauptsächlich von den Immunzellen, darunter auch Mastzellen, attackiert. Diese Mastzellen befinden sich in den Atemwegen und der Nase und bilden eine Barriere gegen Eindringlinge. Sie sind die erste Verteidigungslinie gegen Pathogene, und können helfen, das Virus zu bekämpfen, sodass es erst gar nicht zu einer Infektion kommt (5, 12).

  • In den späteren Krankheitsphasen sind die Mastzellen vermutlich eher an der Entstehung schwerer Verläufe beteiligt (5, 12): Die Aktivierung der Mastzellen führt erst zu der Freisetzung von zahlreichen Mastzellbotenstoffen, darunter u.a. Histamin und Tryptase. Die spätere Aktivierung bringt dann die Freisetzung der entzündungsfördernden Interleukine und TNF-α sowie diverser Chemokine, die weiße Blutkörperchen zu den entzündeten Stellen dirigieren. Alle diese Stoffe spielen eine große Rolle in der Entzündung (5). Histamin, Prostaglandin D2 und Leukotriene wirken auf die Muskeln der Atemwege und verursachen dort vor allem eine Verengung der Bronchien, Schleimbildung und Schleimhautschwellungen, und erschweren dadurch das Atmen. Dies läuft bei Histamin über die H1-Rezeptoren. Dieser Prozess könnte bei Covid-19 durch starke Verengung der Atemwege lebensgefährlich werden (4).


Mastzellen scheinen bei COVID-19 eine Doppelrolle zu spielen: Sie schützen den Körper vor Infektionen, produzieren aber auch entzündungsfördernde Stoffe, die dem Körper schaden können

Es ist aktuell noch nicht abschließend geklärt, welche genaue Rolle Mastzellen bei COVID-19 einnehmen (12). Es wäre allerdings möglich, dass eine Überreaktion der Mastzellen das Fortschreiten von COVID-19 in die Phasen 2 und 3 auslöst (9). Dabei könnte vor allem die dysfunktionale Mastzellaktivierung und die unangemessene Freisetzung von Mastzellbotenstoffen eine Rolle spielen. Exemplarisch sind zwei Botenstoffe ausführlicher diskutiert worden, Interleukin-6 (2) und Histamin (6).

  • Interleukin-6: Das Zytokin Interleukin-6 (IL-6) ist unter anderem ein Regulator der Entzündungsreaktion (13), und kann in schweren Verläufen von COVID-19 ein Lungenversagen vorhersagen (2, 4). Der Einsatz einer medikamentösen IL-6-Blockade hat sich als vielversprechend bei schweren Verläufen von COVID-19 gezeigt (2, 10). Ein Zusammenhang zwischen der Konzentration des IL-6 im Blut und der Art der Mastozytose sowie der Schwere der Symptome ist bekannt (13).

  • Histamin: Histamin ist ein wesentlicher Botenstoff der Mastzellen. Mastzelldegranulation mit dem beobachteten Fortschreiten von COVID-19 durch funktionell und klinisch unterschiedliche Früh- und Spätphasen (6). Dabei zeigt COVID-19 anfänglich das Bild einer typischen Atemwegsinfektion. Innerhalb der schweren Fälle zeigt COVID-19 jedoch einige untypische Charakteristika, wie z.B. Geruchsverlust und Kurzatmigkeit, gefolgt von Husten und Fieber, niedrige Sauerstoffsättigung bei Kurzatmigkeit, Lungenödeme und Mikrothrombosen der Lungengefäße. Das ist nicht unbedingt typisch für Virusinfektionen, aber erklärbar durch Histaminfreisetzung (6). Die wenigen Erkenntnisse über pathologische Entwicklungen im Gewebe in frühen Covid-19-Fällen scheinen diese Theorie zu stützen (6), genauso wie ein weiteres Forscherteam (5). Daher wird ein Erklärungsmodell für die schweren Verläufe von COVID-19 vorgeschlagen, in dem die durch SARS-CoV-2-Infektion ausgelöste Mastzellaktivierung einige der Kernpathologien und ungewöhnlichen Symptome von COVID-19 erklären könnte (6).

Zusammenfassend: Die vom Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung aktiviert die Mastzellen, und diese lösen dann eine Entzündung aus. Das ist ein ganz normaler Bestandteil der Heilung. In einigen Fällen resultiert daraus jedoch eine überschießende, ungebremste Entzündungsreaktion, ein „Zytokinsturm“, der tödlich ausgehen kann. Dabei stehen vor allem Zytokine im Fokus, die auch von den Mastzellen ausgeschüttet werden. Die Mastzellen scheinen bei COVID-19 eine Doppelrolle einzunehmen: Am Anfang der Erkrankung haben sie vermutlich eher eine verteidigende Funktion und schützen den Körper. In späteren Krankheitsphasen könnten sie durch das Anheizen der Entzündung möglicherweise einen schweren Verlauf auslösen.



Können schwere COVID-19-Verläufe etwas mit dysfunktionaler Mastzellaktivierung zu tun haben?

Es erscheint möglich, dass abnormal aktivierte Mastzellen einen ungünstigen Verlauf auf die COVID-19-Erkrankung haben könnten, z.B. durch die dauerhafte Aktivierung oder die unangemessene Ausschüttung von Zytokinen. Aus den bisherigen Erkenntnissen ergibt sich dieser Verdacht, der inzwischen auch von einigen Experten im Bereich der Mastzellerkrankungen gehegt wird. Da es dazu noch keine belastbaren Daten gibt (Wissenschaft braucht vor allem eins: Zeit… und Forschungsgelder!), ist dies bisher nur eine Hypothese, und nicht bewiesen. Daher beschäftigen sich aktuell hauptsächlich Statements von Experten mit dem konkreten Zusammenhang von bereits vorhandener Mastzellaktivierung und schweren Verläufen von COVID-19, aber (noch) keine „offiziellen“ wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Daher möchte ich hier besonders noch auf ein Statement von Dr. Afrin, einem der MCAS-Pioniere, eingehen. Es handelt sich hierbei um ein über seine Webseite und Social-Media-Kanälen verbreitetes Statement, welches nicht denselben Stellenwert hat wie eine wissenschaftliche Publikation. Aufgrund Dr. Afrins wesentlicher Erfahrung mit MCAS halte ich es jedoch für wichtig, dieses Statement unter Nennung der entsprechenden Einschränkungen mit einzubeziehen.


Vermutung: Die überschießende Entzündungsreaktion bei COVID-19 könnte in der Tat aus einer bislang unerkannten Mastzellaktivierung stammen

Dr. Afrin vermutet, dass die überschießende Entzündungsreaktion, auch Zytokinsturm genannt, bei COVID-19 zumindest bei einer gewissen Anzahl an Patienten (vielleicht sogar bei vielen Patienten) entweder direkt oder indirekt aufgrund eines Mastzell-Aktivierungssyndroms (MCAS) entstanden ist, das höchstwahrscheinlich schon lange vor der Infektion vorhanden war.


Waren die „gesunden“ Patienten mit schweren Verläufen vorher wirklich gesund?

Aus seiner Erfahrung widerspricht sich das nicht mit der Beobachtung, dass einige der Patienten mit schweren Verläufen zuvor als augenscheinlich „völlig gesund“ galten. Er habe auf die harte Tour erfahren, dass auch viele MCAS-Patienten so beschrieben wurden, durchaus auch von sich selbst. Bei einer genauen Anamnese stellt sich aber oft heraus, dass es eben doch ein Spektrum an Symptomen gibt, die der Patient in Wahrheit schon lange hat, aber aus verschiedenen Gründen toleriert, ignoriert oder sogar selbst behandelt. Daher geht Dr. Afrin davon aus, dass man sich fragen könnte, wie genau diese Beschreibungen von "gesund" tatsächlich sind.


Besonders ein unerkanntes oder unkontrolliertes MCAS könnte möglicherweise einen schweren Verlauf begünstigen

Außerdem hält er es für möglich, dass ein durch das Virus „ausgelöstes“ MCAS in einen aktivierteren Zustand übergeht, und dies möglicherweise ein Schlüsselfaktor für das "unangemessene" Fortschreiten der COVID-19-Infektion zu einer schweren Erkrankung sein könnte. Diese Möglichkeit sieht er vor allem auf dem Hintergrund der vermutlich substanziellen Häufigkeit von MCAS gegeben, die in Deutschland auf bis zu 17% geschätzt wird (7). Dabei handelt es sich laut Dr. Afrin fast immer um ein bisher unerkanntes, undiagnostiziertes, unbehandeltes und/oder unkontrolliertes MCAS. Er betont allerdings, dass all das gegenwärtig nur Hypothesen sind, ohne jegliche Datenbasis.



COVID-19 aktiviert die Mastzellen – aber das ist ganz normal!

Dabei sagt er, dass es völlig klar ist, dass COVID-19 die Aktivierung von Mastzellen verursacht. Mastzellen reagieren ganz regelgerecht auf Infektionen aller Art (einschließlich Virusinfektionen) mit Aktivierung. Das ist es, was Mastzellen normalerweise tun. Die Frage ist also nicht, ob Mastzellen auf dieses Virus reagieren, sondern vielmehr, ob die Mastzellen im Körper des einzelnen Patienten normal und angemessen auf dieses Virus reagieren. Möglicherweise reagieren die normalen Mastzellen des Patienten sogar tatsächlich normal auf dieses Virus, und nur die (wiederum wahrscheinlich zuvor unerkannten, undiagnostizierten, unbehandelten und/oder unkontrollierten) abnormalen Mastzellen in einem MCAS-Patienten zeigen eine abnormale Reaktion auf dieses Virus. Aber auch hier handelt es sich aktuell lediglich um interessante Hypothesen auf Basis der langjährigen Erfahrung von Dr. Afrin mit MCAS. Um diese zu belegen, bedarf es der Forschung.


Neben MCAS kommen auch noch andere Prozesse im Körper in Frage, um die schweren Verläufe von COVID-19 zu erklären

Gleichzeitig gibt Dr. Afrin zu bedenken, dass es bestimmte Aspekte der überschießenden Entzündungsreaktion bei COVID-19 gibt, die möglicherweise besser durch ein üblicherweise viel selteneres Phänomen als MCAS, nämlich dem Makrophagen-Aktivierungs-Syndrom (MAS), erklärt werden könnten. Hierbei vermutet Dr. Afrin, dass bei einem schwerkranken COVID-Patienten möglicherweise eine Interaktion zwischen dem COVID-19-Virus und den Mastzellen (normal oder abnormal) vorliegen kann, welche dann MAS im Endstadium auslöst. Dr. Afrin merkt zusätzlich an, dass einige Aspekte der überschießenden Entzündung im COVID-Syndrom, die durch MCAS oder MAS nicht gut erklärt werden können, möglicherweise auf noch weitere, zusätzliche Mechanismen zurückzuführen sein könnten. Er betont, dass aktuell nichts davon durch harte, wissenschaftliche Daten bewiesen ist, da wir uns erst eine vergleichsweise kurze Zeit in der Pandemie befinden. Aber Dr. Afrin hält es für gut möglich.


Zusammenfassend: Experten, darunter hier besonders Dr. Afrin, halten es für möglich, dass eine unerkannte Mastzellaktivierung ein Schlüsselfaktor in schweren Verläufen von COVID-19 sein könnte. Dies ist allerdings aktuell „nur“ eine Expertenmeinung und eine Theorie, es gibt dazu noch keine harten Fakten und Daten.



Weitere interessante Publikationen

Zum Abschluss möchte ich auf zwei weitere, sehr einleuchtende Zusammenfassungen zu dem Thema MCAS und COVID-19 (auf Englisch… bei Bedarf hilft deepl.com) hinweisen. Beide Texte sind auf wissenschaftlichen Plattformen wie ResearchGate und ResearchHub selbstveröffentlicht, und haben daher kein formelles Peer-Review durch andere Wissenschaftler und die veröffentlichende wissenschaftliche Zeitschrift genossen. Während Annwyne Houldsworth eine respektable Wissenschaftlerin ist, konnte ich leider nicht herausfinden, wer Ray Stephens ist. Daher weise ich darauf hin, dass die Texte mit der entsprechenden Vorsicht zu lesen sind. Da sie aber sehr interessante Punkte enthalten, möchte ich sie gerne hier verlinken:

The Perfect Storm, Annwyne Houldsworth (Anmeldung bei ResearchGate notwendig)


Teil 2 beschäftigt sich mit der Frage “Sind Menschen mit Mastzellerkrankungen wie MCAS oder Mastozytose stärker gefährdet, sowohl hinsichtlich einer eventuell höheren Ansteckungsgefahr als auch einer möglichen erhöhten Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs von COVID-19?“. Dieser Post erscheint nächsten Montag, am 03. August 2020.


Wichtige Anmerkungen

  • Die hier beschriebenen Themen spiegeln die Inhalte der entsprechenden Paper wider, sofern nicht eindeutig anders gekennzeichnet.

  • Die Inhalte verstehen sich nicht medizinische Anweisung.

  • Die aktuellen Erkenntnisse zu Mastzellen und dem neuen Coronavirus basieren zumeist auf Einzelfallberichten, Erfahrungswerten, professionellen Meinungen und Erkenntnissen aus ähnlichen Situationen. Daher ist oft nicht glasklar durch entsprechende Daten gestützt, dass sich die Dinge für COVID-19 genauso verhalten. Es lassen sich aber aufgrund von Erfahrungen bestimmte Annahmen ableiten, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wiederum die Realität abbilden. Das sind vorläufig aber Hypothesen, die erst noch durch Daten gestützt werden müssen. Da Wissenschaft (vor allem dann, wenn die Daten noch nicht erhoben sind) immer viel länger dauert, als die Allgemeinbevölkerung das so ahnt, kann das aber durchaus noch eine Weile dauern.

  • Einige der Paper sind Preprints, welche noch nicht den formellen Überprüfungsprozess vor der Veröffentlichung durchlaufen haben. Die Preprints sind im Literaturverzeichnis gekennzeichnet.

  • Mastzellenhilfe übernimmt keine Haftung und keine Gewähr für die Richtigkeit der in den besprochenen wissenschaftlichen Publikationen enthaltenen Informationen. Ebenso erhebt die Blogreihe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Thema Coronavirus ist ein sich sehr schnell entwickelndes Thema, und aufgrund der Neuheit der Erkenntnisse kann sich der Wissensstand schnell ändern.


Glossar

  • ARDS: Acute Respiratory Distress Syndrome, entspricht akutem Lungenversagen

  • COVID-19: COrona VIrus Disease, Coronaviruskrankheit

  • IL-1: Interleukin-1, ein Zytokin. Kann Mastzellen aktivieren.

  • IL-6: Interleukin-6, ein entzündungsförderndes Zytokin. Wird auch in den Mastzellen produziert.

  • IL-8: Interleukin-8, ein Zytokin und Entzündungsmediator. Wird auch in den Mastzellen produziert.

  • MAS: Makrophagen-Aktivierungs-Syndrom

  • MCAS: Mastzellenaktivierungssyndrom

  • SARS-CoV-2: "Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus-2", zu Deutsch "schweres akutes Atemwegssyndrom Coronavirus 2"

  • TNF-α: Tumornekrosefaktor-α, ein Mastzellbotenstoff. TNF- α wird aber auch noch in anderen Zellen gebildet.

Quellen und Literatur

  1. Gigante A, Aquili A, Farinelli L, Caraffa A, Ronconi G, Enrica Gallenga C, Tetè G, Kritas SK, Conti P (2020). Sodium chromo-glycate and palmitoylethanolamide: A possible strategy to treat mast cell-induced lung inflammation in COVID-19. Medical Hypotheses. May 19;143:109856. doi: 10.1016/j.mehy.2020.109856. Online ahead of print. PMID: 32460208 Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7236677/

  2. Herold T, Jurinovic V, Arnreich C, Lipworth BJ, Hellmuth JC, Bergwelt-Baildon MV, Klein M, Weinberger T (2020). Elevated levels of IL-6 and CRP predict the need for mechanical ventilation in COVID-19. Journal of Allergy and Clinical Immunology. Jul;146(1):128-136.e4. doi: 10.1016/j.jaci.2020.05.008. Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7233239/

  3. Kempuraj D, Selvakumar GP, Ahmed ME, Raikwar SP, Thangavel R, Khan A, Zaheer SA, Iyer SS, Burton C, James D, Zaheer A (2020). COVID-19, Mast Cells, Cytokine Storm, Psychological Stress, and Neuroinflammation. Neuroscientist. Jul 18:1073858420941476. doi: 10.1177/1073858420941476. Online ahead of print. Abstract hier verfügbar: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32684080/

  4. Kilinc E, Baranoglu Kilinc Y (2020). Mast cell stabilizers as a supportive therapy can contribute to alleviate fatal inflammatory responses and severity of pulmonary complications in COVID-19 infection. Anadolu Kliniği Tıp Bilimleri Dergisi. 25, doi: https://doi.org/10.21673/anadoluklin.720116, Volltext frei verfügbar: https://covid19.researcher.life/article/mast-cell-stabilizers-as-a-supportive-therapy-can-contribute-to-alleviate-fatal-inflammatory-responses-and-severity-of-pulmonary-complications-in-covid-19-infection/d0017022-ed22-4531-a161-2588e416e918

  5. Kritas SK, Ronconi G, Caraffa A, Gallenga CE, Ross R, Conti P (2020). Mast cells contribute to coronavirus-induced inflammation: new anti-inflammatory strategy. Journal of Biological Regulators & Homeostatic Agents. 2020 Feb 4;34(1). doi: 10.23812/20-Editorial-Kritas. Volltext frei verfügbar: https://www.biolifesas.org/biolife/2020/02/04/mast-cells-contribute-to-coronavirus-induced-inflammation-new-anti-inflammatory-strategy/

  6. Malone RW, Tisdall P, Fremont-Smith P, Liu Y, Huang XP, White KM, Miorin L, Olmo EMD, Alon A, Delaforge E, Hennecker CD, Wang G, Pottel J, Bona R, Smith N, Hall JM, Shapiro G, Clark H, Mittermaier A, Kruse AC, García-Sastre A, Roth BL, Glasspool-Malone J, Francone V, Hertzog N, Fremont-Smith M, Ricke DO (2020). COVID-19: Famotidine, Histamine, Mast Cells, and Mechanisms. Version 2. Research Square. Jun 22:rs.3.rs-30934. doi: 10.21203/rs.3.rs-30934/v2. Preprint. Abstract hier verfügbar: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32702719/

  7. Molderings GJ, Homann J, Brettner S, Raithel M, Frieling T (2014). Systemische Mastzellaktivierungserkrankung: Ein praxisorientierter Leitfaden zu Diagnostik und Therapie. Deutsche medizinische Wochenschrift. 139(30), S. 1523-1538. DOI: 10.1055/s-0034-1370055. Abstract hier verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24801454

  8. Raymond M, Ching-A-Sue G, Van Hecke O. Mast cell stabilisers, leukotriene antagonists and antihistamines: a rapid review of the evidence for their use in COVID-19. Center for Evidence-Based Medicine; 2020. Volltext frei verfügbar: https://www.cebm.net/covid-19/mast-cell-stabilisers-leukotriene-antagonists-and-antihistamines-a-rapid-review-of-effectiveness-in-covid-19/

  9. Sestili P, Stocchi V. (2020). Repositioning Chromones for Early Anti-inflammatory Treatment of COVID-19. Frontiers in Pharmacology. 5(11): 854. Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7289983/

  10. Somers EC, Eschenauer GA, Troost JP, Golob JL, Gandhi TN, Wang L, Zhou N, Petty LA, Baang JH, Dillman NO, Frame D, Gregg KS, Kaul DR, Nagel J, Patel TS, Zhou S, Lauring AS, Hanauer DA, Martin E, Sharma P, Fung CM, Pogue JM (2020). Tocilizumab for treatment of mechanically ventilated patients with COVID-19. medRxiv. Jun 3:2020.05.29.20117358. doi: 10.1101/2020.05.29.20117358. Preprint. Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7302290/

  11. Theoharides TC (2020). COVID-19, pulmonary mast cells, cytokine storms, and beneficial actions of luteolin. Biofactors. May;46(3):306-308. doi: 10.1002/biof.1633. Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7267424/

  12. Valent P, Akin C, Bonadonna P, Brockow K, Niedoszytko M, Nedoszytko B, Butterfield JH, Alvarez-Twose I, Sotlar K, Schwaab J, Jawhar M, Reiter A, Castells M, Sperr WR, Kluin-Nelemans HC, Hermine O, Gotlib J, Zanotti R, Broesby-Olsen S, Horny HP, Triggiani M, Siebenhaar F, Orfao A, Metcalfe DD, Arock M, Hartmann K (2020). Risk and Management of Patients with Mastocytosis and MCAS in the SARS-CoV-2 (COVID-19) Pandemic: Expert Opinions. Journal of Allergy and Clinical Immunology. Jun 16:S0091-6749(20)30839-3. doi: 10.1016/j.jaci.2020.06.009. Online ahead of print. Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7297685/

  13. Valent P (2020). KIT D816V and the cytokine storm in mastocytosis: production and role of interleukin-6. Haematologica. Jan; 105(1): 5–6. doi: 10.3324/haematol.2019.234864 Volltext frei verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6939527/

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