MCAS und ME/CFS – Literaturübersicht zu meinem Podcast bei Fasynation

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Vor Kurzem war ich zu Gast bei Fasynation, einem Podcast über ME/CFS und Fatigue, und habe dort mit Johannes über MCAS gesprochen. MCAS spielt bei ME/CFS (und auch bei Long Covid) nicht selten eine entscheidende Rolle, und daher ist das ein wichtiges Thema!

Worüber wir (sehr ausführlich!) gesprochen haben, hörst du natürlich in den beiden Podcastfolgen – unter dem Titel:

Das fehlende Puzzleteil? MCAS / Mastzellaktivierung verstehen + behandeln mit Expertin Dr. Nina Kreddig„.

Diese kannst du dir z.B. auf der Seite von Fasynation, bei Spotify oder bei Apple Podcasts anhören:

Es sind die Folgen vom 17.3. und vom 25.3.2025, also Folgen 146 und 147.

Im Zusammenhang damit möchte ich aber auch gerne eine Übersicht an wissenschaftlichen Publikationen zur Verfügung stellen, die ich zur Vorbereitung auf den Podcast gelesen habe. Hier steht vor allem die Verbindung von ME/CFS mit MCAS im Fokus. In der Praxis haben wir bereits oft die Erfahrung gemacht, dass ME/CFS und MCAS einen deutlichen Zusammenhang besitzen – aber es ist natürlich immer sinnvoll, die Erfahrung mit soliden Daten aus der Wissenschaft zu unterfüttern!

Zusammengefasst sind hier nicht alle Paper, in denen etwas zu MCAS und ME/CFS drinsteht, sondern nur die „großen“, die auch auf dieses Thema fokussieren. Es gibt auch noch Paper, die nur kleine Hinweise enthalten. Die haben auch das Wissen im Podcast unterfüttert, sind hier aber nicht alle einzeln ausgewiesen.

Hier habe ich dir die wichtigsten Punkte und Erkenntnisse aus diesen größeren Publikationen auf Deutsch übersetzt und zusammengefasst. Dabei ist auch jeweils die Originalstudie verlinkt – wenn verfügbar, dann auch im Volltext.

Cover Fasynation ME CFS ()

Bevor du gleich dorthin weitergehst, noch einige wichtige Anmerkungen:

Die Forschung zu ME/CFS und MCAS ist noch ganz am Anfang. Es sind noch sehr, sehr viele Fragen offen, und einzelne wissenschaftliche Erkenntnisse sind zwar sehr wichtig, aber erst einmal nur ein Anfang. Das Bild ist sehr komplex, und bevor etwas von diesen Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden kann, müssen die Ergebnisse erst noch zuverlässig repliziert werden – sie müssen also wiederholbar sein, damit sich ein klares Muster abzeichnet. Und im Falle von Tierstudien (z.B. an Ratten oder Mäusen) muss natürlich erst sichergestellt werden, dass die Ergebnisse auch für den Menschen gelten können. Das sind alles Schritte, die aktuell noch in der Zukunft liegen.

Diese Zusammenfassung der Studien ist also primär dazu da, deine Gedankenwelt und deine Vorstellung von MCAS und ME/CFS auszustatten – und (noch) nicht dazu da, konkrete Handlungsanleitungen oder -empfehlungen zu geben. Es ist auch nicht zu erwarten, dass diese Punkte bereits im medizinischen Allgemeinwissen angekommen sind und/oder dass deine Hausärztin oder dein Hausarzt hier reichhaltiges Wissen und entsprechende Angebote für dich hat. Das wird in der Zukunft sicherlich einmal der Fall sein, noch sind wir aber nicht an diesem Punkt angekommen.

Gleichermaßen handelt es sich hier natürlich um allgemeine Aussagen, die teilweise aus Tierstudien kommen. Es findet hier also keinerlei Aussage für deinen persönlichen Einzelfall statt – das können wissenschaftliche Studien von sich aus nicht leisten. Im „echten Leben“ gibt es oft sehr viele Einflussfaktoren, die in Studien nicht berücksichtigt werden können oder sogar absichtlich vermieden oder herausgerechnet werden. Ebenso kann ich keine Verantwortung übernehmen für die Richtigkeit der in den Studien enthaltenen Schlüsse oder alles, was du für dich daraus ziehst – letzteres liegt allein in deiner Verantwortung für dich selbst.

Dennoch finde ich es wichtig, dass du dieses Wissen bekommst, auch wenn hier vieles noch ganz am Anfang steht und es mehr Fragen als Antworten gibt. Im Schnitt dauert es nämlich 17 Jahre (!), bis sich eine Erkenntnis aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit durchsetzt. Ich möchte nicht, dass du so lange warten musst – aber das ist in einer Zeit, wo noch so vieles unklar ist, auch mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen belegt 🙂

So, nun aber genug mit den Hinweisen, hier sind die Studien:

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Mastzellaktivierung bei ME/CFS: Hinweise auf eine immunologische Fehlregulation

(Balinas et al., 2018, Asian Pac J Allergy Immunol)

  • ME/CFS tritt häufig nach viralen Infektionen auf, wobei jedoch kein einzelner Erreger als Ursache identifiziert wurde.
  • Genaue Ursache von ME/CFS nicht bekannt, aber immunologische Dysfunktion wird konsequent damit in Verbindung gebracht
  • Betroffene zeigen oft Überempfindlichkeitsreaktionen sowie eine atypische Regulation entzündungsfördernder und -hemmender Zytokine.
  • Mastzellen spielen eine Schlüsselrolle im Immunsystem und können durch virale Erreger über den Toll-like-Rezeptor 3 (TLR3) aktiviert werden. Dies führt zur Ausschüttung von Zytokinen und kann Überempfindlichkeitsreaktionen verstärken.
  • Eine verlängerte Aktivierung der Mastzellen – etwa durch persistierende Virusbestandteile – kann eine chronische systemische Entzündung auslösen, die ihrerseits Mastzellen weiter aktiviert und die Symptome verstärken könnte.
  • In einer experimentellen Simulation einer Virusinfektion bei ME/CFS-Patienten zeigte sich eine erhöhte Mobilisierung von Mastzellvorläuferzellen. Dies deutet auf eine mögliche Fehlregulation der Entzündungsprozesse und Veränderungen in der Umgebung der Gewebemastzellen hin.
  • Zudem könnte die Mastzellaktivierung die B-Zellen stimulieren, zu einer erhöhten IgE-Produktion führen und so allergische Reaktionen bei ME/CFS-Betroffenen während Virusinfektionen erklären.
  • Mastzellinteraktionen mit B-Zellen könnten auch erklären, warum ME/CFS-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhte B-Zell-Werte aufweisen.

👉 Fazit: Die Studie liefert Hinweise darauf, dass eine Fehlregulation der Mastzellen bei ME/CFS eine Rolle spielen könnte. Mastzellaktivierung könnte durch anhaltende Virusreste, Überempfindlichkeitsreaktionen und Zytokinimbalancen zu einer chronischen Entzündung beitragen. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung zur Rolle von Mastzellen bei ME/CFS.

📖 Quelle:
Balinas, C., Nguyen, T., Johnston, S., Smith, P., Staines, D., & Marshall-Gradisnik, S. (2018). Investigation of mast cell toll-like receptor 3 in Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis and Systemic Mastocytosis using the novel application of autoMACS magnetic separation and flow cytometry. Asian Pacific Journal of Allergy and Immunology, 36(4), 257–264. https://doi.org/10.12932/AP-200517-0086

🔗 Originalstudie: Hier abrufbar

Mastzell- und Eosinophilenaktivierung bei ME/CFS und verwandten Multisystemerkrankungen

(Jahanbani et al., 2024)

  • Mastzellen und Eosinophile arbeiten als allergische Effektoreinheit zusammen und verschieben die Immunantwort bei ME/CFS in Richtung Th2. Dies könnte zu kognitiven Beeinträchtigungen, sensorischer Intoleranz, Gewebeschäden, Autoimmunität und Belastungsintoleranz (inklusive postexertional malaise, PEM) führen.
  • Potenziell gemeinsamer mechanistischer Ursprung von ME/CFS und den vielen komorbiden Erkrankungen: Hypermobilitätsspektrumstörungen (HSD), Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS), posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) und Small-Fiber-Neuropathie
  • Unerwünschte Reaktionen auf Lebensmittel, NEM oder Medikamente etc. müssen in Bezug auf Schwere und Fortschreiten von ME/CFS berücksichtigt werden
  • Ungeklärte systemische Mastzell- und Eosinophilen-Überaktivierung könnte zur Entwicklung und Verschlechterung von ME/CFS und verwandten Multisystemstörungen und Komorbiditäten beitragen.
  • Exposition gegenüber Infektionen, Allergenen oder Umweltfaktoren (z. B. UV-Strahlung, mechanische Traumata, Hypoxie) kann Mastzellen (und andere Immunzellen – das ist alles ein komplexes Zusammenspiel zwischen diesen Zellen und dem übrigen Immun- und Nicht-Immunzellsystem) aktivieren und eine Kaskade immunologischer Reaktionen auslösen.
  • Die weit verbreitete Präsenz von Mastzellen und Eosinophilen im Körper macht ihre Fehlregulation potenziell schädlich für zahlreiche biologische Systeme, einschließlich kardiovaskulärer, gastrointestinaler, nervlicher, metabolischer und bindegewebiger Strukturen.
  • Neben klassischen Allergieprozessen sind Mastzellen und Eosinophile auch an der Immunabwehr gegen Bakterien, Pilze und Viren beteiligt. Ihre Fähigkeit, die Umwelt durch zahlreiche Rezeptoren zu überwachen, ermöglicht es ihnen, ein fein abgestimmtes Gleichgewicht zwischen Immunaktivierung und -unterdrückung zu halten. Diese Koordination umfasst ein komplexes Zusammenspiel mit einer Vielzahl von Zellen. Sie interagieren eng mit T- und B-Zellen, können deren Aktivierung beeinflussen und eine übermäßige Antikörperproduktion anregen. Dies könnte entzündliche und autoimmune Prozesse bei ME/CFS verstärken.
  • Eine überaktive Th2-Immunantwort wurde bei Personen mit Belastungsintoleranz nachgewiesen. Diese Erkenntnisse deuten auf ein komplexes Zusammenspiel zwischen einem dysregulierten Immunsystem, Belastungsintoleranz und postexertionalem Malaise bei ME/CFS hin. Studien legen nahe, dass diese Immunverschiebung auch die negativen Reaktionen von ME/CFS- und Long-COVID-Patienten auf aerobes Training erklären könnte.
  • Unsere Ergebnisse heben auch einen potenziell gemeinsamen zugrunde liegenden Mechanismus zwischen ME/CFS und seinen wichtigsten Komorbiditäten hervor, wie hEDS/HSD, POTS, MCAS, multiple chemische Sensitivität, periphere Neuropathie sowie der neuro-immunen und Gehirn-Darm-Interaktionsachse.
  • Die Identifizierung wichtiger Regulatoren wie BCL6, TP53 und KTLG deutet auf ein mechanistisches Modell hin, das die chronische Aktivierung von Mastzellen und Eosinophilen mit der Pathogenese von ME/CFS und seinen Komorbiditäten verbindet.
  • Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Forschung zu mastzell- und eosinophilenbasierten Therapien, da diese potenziell zu einer gezielten Behandlung von ME/CFS beitragen könnten.

👉 Fazit: Die Ergebnisse zeigen eine starke Beteiligung von Mastzellen und Eosinophilen an der Krankheitsentwicklung und Symptomatik von ME/CFS. Die Immunfehlregulation könnte über Gewebeschäden, Th2-Verschiebung und Antikörperüberproduktion zur Multisystembeteiligung beitragen. Weitere Forschung zu entzündungsmodulierenden Therapieansätzen wird empfohlen.

📖 Quelle:
Jahanbani, F., Sing, J. C., Maynard, R. D., Jahanbani, S., Dafoe, J., Dafoe, W., Jones, N., Wallace, K. J., Rastan, A., Maecker, H. T., Röst, H. L., Snyder, M. P., & Davis, R. W. (2024). Longitudinal cytokine and multi-modal health data of an extremely severe ME/CFS patient with HSD reveals insights into immunopathology, and disease severity. Frontiers in Immunology, 15, 1369295. https://doi.org/10.3389/fimmu.2024.1369295

🔗 Originalstudie: Hier abrufbar

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Erhöhte Mastzellaktivität und Neuroinflammation bei ME/CFS

(Nguyen et al., 2017)

  • In der Studie wurden moderat und schwer betroffene ME/CFS-Patienten mit gesunden Kontrollpersonen verglichen.
  • Bei ME/CFS-Patienten wurden signifikant mehr unreife Mastzellvorläufer im Vergleich zu Gesunden gefunden, insbesondere bei schwer betroffenen Patienten.
  • Ein Anstieg des CD40-Liganden (CD40L/CD154) und der MHC-II-Rezeptoren (HLA-DR) wurde bei differenzierten Mastzellpopulationen schwer betroffener ME/CFS-Patienten festgestellt. Das deutet darauf hin, dass Mastzellen, Makrophagen sowie gliale Zellen, die CD40L exprimieren, möglicherweise eine Rolle bei der Vermittlung der Immundysregulation von B- und T-Zell-Antworten spielen und zur Neuroinflammation bei CFS/ME-Patienten beitragen könnten
  • Frühere Studien hatten bereits eine erhöhte Anzahl regulatorischer T-Zellen, veränderte B-Zell-Phänotypen sowie erhöhte Entzündung bei ME/CFS gezeigt.
  • Die Studie liefert neue Hinweise darauf, dass Mastzellen an der Pathophysiologie von ME/CFS beteiligt sein könnten, insbesondere durch ihre Rolle in der Immunregulation und Neuroinflammation.
  • Die Ätiologie von CFS/ME ist unbekannt, jedoch wird eine Immundysfunktion konsistent mit der Pathomechanik dieser Krankheit in Verbindung gebracht.
  • Atypische Werte regulatorischer T-Zellen sowie pro- und antiinflammatorischer Zytokine, die Bildung von Stickstoffmonoxid und Überempfindlichkeitsreaktionen deuten darauf hin, dass die Pathophysiologie von ME/CFS die Aktivierung von Entzündungswegen beinhaltet
  • Die Aktivierung von Mastzellen wurde mit einer Dysfunktion der Blut-Hirn-Schranke (BBB) in Verbindung gebracht. PET-Scans bei ME/CFS-Patienten zeigen Hinweise auf Neuroinflammation, deren Mechanismen weiter untersucht werden sollten.

👉 Fazit: Die Studie zeigt, dass Mastzellen und ihre Vorläuferzellen bei ME/CFS vermehrt vorkommen und möglicherweise eine Rolle bei der Immun- und Neuroinflammation spielen. Dies könnte die Symptome und den Krankheitsverlauf beeinflussen. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um den genauen Mechanismus zu verstehen und therapeutische Ansätze zu entwickeln.

📖 Quelle:
Nguyen, T., Johnston, S., Chacko, A., Gibson, D., Cepon, J., Smith, P., Staines, D., & Marshall-Gradisnik, S. (2017). Novel characterisation of mast cell phenotypes from peripheral blood mononuclear cells in chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis patients. Asian Pacific Journal of Allergy and Immunology, 35(2), 75–81. https://doi.org/10.12932/ap0771

🔗 Originalstudie: Hier abrufbar

Mastzellen, Dysautonomie und Neuroinflammation bei ME/CFS

(Theoharides et al., 2024)

  • Mastzellen könnten eine homöostatische Funktion in verschiedenen Krankheitsbildern regulieren, darunter POTS, Autismus-Spektrum-Störungen, ME/CFS und Long-COVID.
  • Obwohl die genaue Ursache von ME/CFS unklar bleibt, wird es mit mehreren pathogenetischen Mechanismen in Verbindung gebracht, darunter:
    • Neurovaskuläre Entzündung
    • Endotheliale Dysfunktion
    • Störungen der Blut-Hirn-Schranke (BBB)
    • Verringerte Blutzufuhr zum Gehirn
    • Anti-Rezeptor-Antikörper
    • Expression autoimmuner Gene
  • Mastzellmediatoren können diese Prozesse verstärken, indem sie:
    • Die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger machen
    • Den Blutfluss zum Gehirn beeinflussen
    • Mikroglia aktivieren, was zu neurovaskulärer Entzündung führt
  • Eine frühere Studie fand erhöhte Mastzellvorläufer im Blut von ME/CFS-Patienten.
  • Eine weitere Studie zeigte, dass das Vorliegen atopischer Symptome das Risiko für ME/CFS erhöht.
  • Eine kleine prospektive Studie zeigte, dass 15 von 18 (etwa 80%) ME/CFS-Patienten Allergien hatten – ein höherer Anteil als in der allgemeinen Bevölkerung (weniger als 30 %). Dies deutet auf eine mögliche Zusammenhänge zwischen Atopie, Mastzellaktivierung und ME/CFS hin.
  • Mastzellen wurden bereits bei Mastozytose-Patienten mit Müdigkeit und neuropsychiatrischen Symptomen in Verbindung gebracht, was auf eine mögliche Relevanz für ME/CFS schließen lässt.

👉 Fazit: Mastzellen könnten eine zentrale Rolle in der Entstehung und Symptomatik von ME/CFS spielen, insbesondere im Zusammenhang mit Neuroinflammation, Dysautonomie und endothelialer Dysfunktion. Eine gezielte Mastzellmodulation könnte möglicherweise neue Therapieansätze eröffnen.

📖 Quelle:
Theoharides, T. C., Twahir, A., & Kempuraj, D. (2024). Mast cells in the autonomic nervous system and potential role in disorders with dysautonomia and neuroinflammation. Annals of Allergy, Asthma & Immunology, 132(4), 440–454. https://doi.org/10.1016/j.anai.2023.10.032

🔗 Abstract: PubMed

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Mastzellaktivierung, Entzündungen und Isoflavone bei CFS

(Vasiadi et al., 2014)

  • Stresshormone wie Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) und Neurotensin (NT) können Mastzellen aktivieren, die dann entzündliche Mediatoren freisetzen und so zur Symptomatik von CFS beitragen.
  • Mastzellen sind in vielen mit CFS assoziierten Erkrankungen involviert, darunter Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom (IBS), interstitielle Zystitis und Migräne. Diese sind alle durch eine Dysfunktion des zentralen Nervensystems (ZNS) gekennzeichnet sind und verschlechtern sich durch Stress.
  • Höhere Mastzellzahlen in der Haut wurden bei CFS-Patienten festgestellt, ebenso eine erhöhte Hautüberempfindlichkeit.
  • Chronische Urtikaria tritt häufiger bei CFS-Patienten auf, was auf eine verstärkte Mastzellaktivierung hinweist.
  • Hyperreaktivität der Bronchien deutet auf eine Mastzellbeteiligung bei CFS hin.
  • Proinflammatorische Mediatoren wie TNF-α und IL-6 waren bei CFS erhöht. Diese können die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger machen und so zu Gehirnentzündungen beitragen.
  • Viele CFS-Patienten zeigen eine abnormale Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) und sind besonders anfällig für Stress.
  • Mastzellen und ihre Mediatoren wurden mit allen mit CFS komorbiden Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.
  • Mastzellen können T-Zellen aktivieren und damit Entzündungsreaktionen verstärken.
  • Quercetin und andere Flavonoide zeigten eine positive Wirkung:
    • Erhöhung der Belastungstoleranz bei Mäusen
    • Verringerung der Entzündung
    • Verbesserung der kognitiven Funktion
    • Hemmung der Mastzell-Degranulation
    • Geringere Sekretion von TNF-α, IL-6 und IL-8
    • Verringerung des oxidativen Stress im Gehirn
  • Isoflavone (Genistein und Daidzein) hemmten die durch Poly(I:C) induzierte Entzündungsreaktion in einem Mausmodell (Anmerkung: Bitte beachten: In dieser Studie ging es um Mäuse, nicht um Menschen. Die Ergebnisse sind vielversprechend, müssen aber erst noch beim Menschen wiederholt werden, bevor man überhaupt zaghaft daran denken kann, daraus Therapien abzuleiten.)
  • Mögliche therapeutische Relevanz:
    • Flavonoide haben antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften.
    • Quercetin verbesserte die Belastungstoleranz in Tiermodellen.
    • Isoflavone verbesserten in Studien kognitive Funktionen wie Exekutivfunktion und Arbeitsgedächtnis.
    • Allerdings haben Isoflavone eine östrogene Wirkung, die nicht in allen klinischen Situationen wünschenswert ist.

👉 Fazit: Mastzellaktivierung könnte eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie von CFS spielen. Flavonoide wie Quercetin, Naringin und Curcumin zeigen vielversprechende Effekte auf Entzündungsprozesse und könnten eine unterstützende Therapieoption sein.

📖 Quelle:
Vasiadi, M., Newman, J., & Theoharides, T. C. (2014). Isoflavones inhibit poly(I:C)-induced serum, brain, and skin inflammatory mediators – relevance to chronic fatigue syndrome. Journal of Neuroinflammation, 11, 168. https://doi.org/10.1186/s12974-014-0168-5

🔗 Volltext: PMC

ME/CFS, Mastzellaktivierung und vaskuläre Dysregulation

(Wirth & Löhn, 2023)

  • ME/CFS ist häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert, darunter Mastzellaktivierung (MCA/MCAS), Endometriose, posturales Tachykardiesyndrom (POTS) und Small-Fiber-Neuropathie.
  • Gemeinsame Symptome von ME/CFS, Endometriose und MCAS umfassen Müdigkeit, Gehirnnebel, kognitive Beeinträchtigungen, Schmerzen und Ödeme – die Ursachen dieser Überschneidungen sind unklar.
  • ME/CFS wird oft durch Virusinfektionen ausgelöst, darunter EBV, HHV-6, Enteroviren, Influenza, Dengue-Fieber und SARS-CoV-2. Es wird angenommen, dass die Prävalenz durch COVID-19 stark ansteigt.
  • MCAS könnte durch eine SARS-CoV-2-Infektion verstärkt werden, insbesondere wenn eine vorher nicht diagnostizierte Mastzellaktivierung bereits vorhanden war.
  • Histamin scheint eine Rolle bei ME/CFS und Long Covid zu spielen, da Antihistaminika bei einigen Betroffenen eine Linderung der Symptome bewirken.
  • Verschiedene vasoaktive Mediatoren beeinflussen die Symptomatik:
    • Bei ME/CFS könnte Bradykinin der dominierende Mediator sein.
    • Bei MCAS ist es eher Histamin.
    • Beide verursachen jedoch ähnliche Effekte wie Vasodilatation, Gefäßdurchlässigkeit, Effekte auf Sensorische Nerven und spasmogene Effekte.
    • Wenn diese Syndrome gleichzeitig auftreten, können die verschiedenen Mediatoren gleichzeitig und oft synergistisch wirken, sodass eine klinische Situation mit einer ununterscheidbaren, gemischten oder überlappenden Symptomatik entstehen kann.
  • Es ist wenig überraschend, dass eine orthostatische Dysfunktion unter diesen Syndromen häufig ist, da vasoaktive Mediatoren freigesetzt werden, die die orthostatische Gefäßregulation stören.
  • Bei ME/CFS spielt Stress aus verschiedenen Ursachen eine Rolle bei der Einleitung und Aufrechterhaltung der Krankheit. Ist die Krankheit einmal etabliert, wird ein hoher Stresspegel durch den Krankheitszustand selbst erzeugt und aufrechterhalten. Orthostatischer Stress könnte der größte Stressfaktor sein, da er bereits im Sitzen bei vielen ME/CFS-Patienten vorhanden ist.
  • Stress und Mastzelldegranulation können sich gegenseitig verstärken. ME/CFS-Patienten zeigen oft eine erhöhte sympathische Aktivität.
  • Postexertionale Malaise (PEM) ist eine Verschlimmerung der Symptome von ME/CFS, die bereits durch kleine Anstrengungen im Alltag oder sogar durch mentale Anstrengungen ausgelöst wird. Verglichen mit diesen niedrigen Belastungen, die bereits PEM verursachen, könnte die Belastung oder der Stress durch eine Mastzelldegranulation oder Dysmenorrhö weitaus höher sein und Symptome auslösen.
  • Die Autoren gehen davon aus, dass eine Mastzelldegranulation oder schwere Dysmenorrhö die Symptomatik von ME/CFS erheblich verschlimmern kann. Dies hat nicht nur das Potenzial, Verschlechterungen oder Schübe der Erkrankung auszulösen, sondern könnte auch ein Risikofaktor für den Ausbruch von ME/CFS sein.
  • Umgekehrt hat ME/CFS das Potenzial, Mastzelldegranulation und Dysmenorrhö zu verschlimmern. Wie oben erwähnt, kann Mastzelldegranulation auch durch Stress ausgelöst werden. Der Stress und die sympathische Überaktivität, die mit ME/CFS einhergehen, könnten nicht nur zur Desensibilisierung von _2AdR im Uterus und an Mastzellen führen, sondern auch direkt über alpha1-adrenerge Rezeptoren die Degranulation auslösen.
  • Die Komorbidität von ME/CFS und MCA scheint besonders wichtig für die Pathophysiologie der orthostatischen Intoleranz zu sein. Die große Mehrheit der ME/CFS-Betroffenen leidet unter orthostatischer Intoleranz und verminderter zerebraler Durchblutung. Eine komorbide Mastzelldegranulation hat das Potenzial, die bestehende orthostatische Dysfunktion durch die spezifischen vaskulären Effekte von Histamin erheblich zu verschlimmern.

👉 Fazit: Die Überschneidung zwischen ME/CFS und MCAS könnte vaskuläre Ursachen haben, insbesondere durch die Freisetzung vasoaktiver Mediatoren wie Histamin und Bradykinin. Mastzellaktivierung könnte nicht nur Symptome von ME/CFS verschlimmern, sondern auch an der Pathophysiologie der orthostatischen Intoleranz beteiligt sein.

📖 Quelle:
Wirth, K. J., & Löhn, M. (2023). Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) and Comorbidities: Linked by Vascular Pathomechanisms and Vasoactive Mediators? Medicina (Kaunas), 59(5), 978. https://doi.org/10.3390/medicina59050978

🔗 Volltext: PMC

Mastzellen und die Blut-Hirn-Schranke (BBB)

(Ribatti, 2015)

  • Die Blut-Hirn-Schranke (BBB) schützt das Gehirn vor schädlichen Stoffen aus dem Blutkreislauf, unterstützt den einzigartigen Stoffwechsel des Gehirns und sorgt für eine stabile Umgebung, die für die Gehirnhomöostase essenziell ist.
  • Mastzellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation der BBB und können ihre Funktion durch die Freisetzung von Mediatoren beeinflussen.
  • Eine pharmakologische Hemmung oder genetische Ausschaltung von Mastzellen führte zu einer signifikanten Reduktion:
    • Von BBB-Schäden nach ischämischen Ereignissen.
    • Von Hirnödemen.
    • Von der Infiltration von Neutrophilen.
  • Mastzellinhibition könnte eine vielversprechende therapeutische Strategie sein, um entzündliche Schäden an der Neurovaskulatur zu verhindern.

👉 Fazit: Mastzellen können die Integrität der Blut-Hirn-Schranke beeinflussen und möglicherweise zu neuroinflammatorischen Prozessen beitragen. Ihre gezielte Hemmung könnte helfen, entzündlich bedingte BBB-Störungen und damit verbundene Schäden zu reduzieren.

📖 Quelle:
Ribatti, D. (2015). The crucial role of mast cells in blood-brain barrier alterations. Experimental Cell Research, 338(1), 119–125. https://doi.org/10.1016/j.yexcr.2015.05.013

🔗 Zusammenfassung: ScienceDirect

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Wenn du jetzt neugierig bist, worüber wir gesprochen haben, dann hör dir den Podcast an, z.B.:

Es sind die Folgen vom 17.3. und vom 25.3.2025, also Folgen 146 und 147.

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